Chill mal, Frau Freitag
kein Name, sondern eine Diagnose« – ein super Titel, schade nur, dass er nicht von mir ist. Da haben sie also eine Studie gemacht und Lehrerinnen und Lehrern fiktive Klassenlisten vorgelegt. Natürlich haben alle die Marie, die Nele, den Leon und den Finn als gute, leistungsstarke Nichtstörer kategorisiert und in Kevin, Schantal, Justin und Mandy die Alles-schwierig-bis-kaputt-Macher gesehen. Und die Lehrer seien sich ihrer Vorurteile gar nicht bewusst, sagt die Studie.
Aber jetzt mal ehrlich, hatte irgendjemand schon mal einen Leistungsträger in der Klasse, der Kevin hieß?
An meiner Schule gibt es vor allem andere Namen – klar, Kevins stören auch meinen Unterricht, aber sie werden von den Mohameds ziemlich schnell in ihre Schranken gewiesen.
Warum nennen Eltern ihr Kind eigentlich Mohamed? Nach dem Propheten, der Hauptperson ihrer Religion. Weil sie ihr Kind nicht Allah nennen dürfen, aber genauso viel von ihm erwarten, weil sie ihn als gottgesandten Heilsbringer sehen. So wird er dann sechs Jahre lang von der gesamten Sippe verhätschelt und auf Händen getragen.
Dann kommt dieses Königskind in die Schule, und dort sitzen plötzlich auch noch andere Gottessöhne. Damit kommt der einzelne Hamudi (Koseform von Mohamed) gar nicht klar und stresst seine Umwelt für mindestens zehn Jahre. Also Vorsicht, die Momos sind noch anstrengender als jeder Kevin.
Liebe Eltern, denkt bei der Namensgebung eurer Kinder ein bisschen mehr nach. Ist doch egal, wie der Opa hieß. Braucht wirklich jede Familie einen Mohamad und einen Ali? Ist später auch nicht gerade hilfreich bei der Jobsuche. Und wenn ihr eure Söhne schon nach dem Propheten nennt, dann erzieht sie doch bitte etwas besser. Ist doch peinlich, wenn ausgerechnet jemand mit diesem Namen eine mehrere Kilo schwere Schülerakte hat. Sollte der nicht seinem Namen »alle Ehre« machen? Redet mal mit eurem Nachwuchs, erklärt euren Kindern ruhig, was ihre Namen bedeuten. Ich hatte mal eine Schülerin, die hieß Kurdistan. Irgendwann beschwerte sie sich bei mir: »Frau Freitag, Momo sagt immer, mein Name sei ein Land.« Ich daraufhin: »Na ja, irgendwie, also, Kurdistan ist eigentlich kein richtiges Land. Na ja, das ist so ein Land wie Palästina.«
Neulich erfuhr ich von einer Kollegin aus einer Grundschule, dass es einen neuen Modenamen bei Erstklässlern gibt, die nach 2001 geboren sind. Super, mit diesen heranwachsenden Osamas werden wir an den weiterführenden Schulen in ein paar Jahren bestimmt einen Bombenspaß haben.
Vielleicht sollte man sich einfach mehr mit den unproblematischen Schülern beschäftigen. Die gibt es nämlich auch. Wenn wir über unseren Berufsalltag reden, dann erzählen wir doch immer von den Schwierigen, von den Nervtötern, von den Nixtuern, den Alles-kaputt-Machern. Von den Schülern, mit denen man am meisten Arbeit hat und die einem den Unterricht, den Tag und den Spaß am Beruf zerstören.
Konzentrieren wir uns deshalb einmal auf die netten Schülerinnen und Schüler. Die, deren Namen wir leider am Schuljahresende noch immer nicht kennen oder die wir ständig verwechseln – gerade weil sie nicht stören. Deren Eltern wir nicht kennen, weil wir sie nie anrufen oder zum Gespräch einladen müssen. Überhaupt reden wir nur selten mit den lieben, netten Schülern, weil sie ja immer da sind und alles tun, was man von ihnen verlangt. Sie machen ihre Hausaufgaben, lernen, schreiben gute Arbeiten – was sollte es also zu besprechen geben? Probleme scheinen die nicht zu haben, denn sie tanzen nie aus der Reihe. Wenn sie mal eine Stunde oder in einer Miniphase des Unterrichts unkonzentriert sind, dann spreche ich sie schon mal an: »Das bin ich von dir aber nicht gewohnt. Mach nicht so, das ist doch gar nicht deine Art. Von dir erwarte ich aber mehr.« Diese Schüler dürfen nicht negativ auffallen, denn sie bilden das wacklige Gerüst, auf dem ich so tue, als fände bei mir geregelter Unterricht statt. Sie müssen immer die perfekten Schüler sein. Sie dürfen sich nicht verändern, dürfen nicht in die Pubertät kommen, schlecht gelaunt sein oder faul und unverschämt werden.
In meiner Klasse gibt es davon vielleicht sechs oder sieben. Sechs oder sieben Schülerinnen und Schüler, die einfach so funktionieren und um die ich mich so gut wie gar nicht kümmere. Wenn sie einmal mit irgendeinem Problem zu mir kommen, dann fordere ich von ihnen, es auf schnellstem Weg alleine zu lösen. Ich habe keine Zeit, keinen Nerv und keine Lust,
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