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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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»Du, Frau Freitag, der ist doch von dir, oder? Der hat da oben wie bescheuert gegen die Tür gewummert.« – »Danke«, sage ich mit versteinertem Gesicht und zu Mehmet: »Okay, dann rufe ich jetzt deine Mutter an, die soll kommen und dich abholen.«
    Die Mutter kommt, wir führen ein nettes Gespräch, Mehmet ziemlich kleinlaut, der Vater wird auch informiert. Mehmets Wochenende ist im Arsch. Und ich gehe wenig später fröhlich nach Hause und schreibe sofort Elternbriefe an fast alle Schüler meiner Klasse. Komisch, wie das meine Laune verbessert hat.
    Ihr stört mich bei meiner Arbeit!
    Manchmal ist irgendwie der Wurm drin und man kackt in jeder Stunde meisterhaft ab. Wirklich in jeder. Fängt schon mit der ersten an. Ich schreibe einen Vokabeltest, drei Leute sind beim Klingeln da, nach fünf Minuten kommen sechs gackernde Teenagermädchen reingeflogen und kichern sich auf ihren Plätzen erst mal in aller Ruhe weiter aus. »Huch, tschüch , Test, abó , wusst ich nich, mach nich so …« Habe ich aber gnadenlos weiter so gemacht, und sie durften Zeugnis ihrer Unkenntnis ablegen. Alle eine Fünf oder eine Sechs. Nach dem Test geht das heitere Gequatsche weiter. Ich will einen Text lesen, scheint keinen zu interessieren. Sie schlagen nicht mal das Englischbuch auf. Ich warte, gucke böse, zerplatze innerlich, warte weiter … und dann setze ich mich hin: »Okay, so kann ich hier nicht unterrichten. Ihr stört mich bei meiner Arbeit. Das kann nicht wahr sein, dass ihr jetzt schon so unruhig seid. Nicht in der ersten Stunde.« Sie starren mich etwas ungläubig an. Huch, Metaebene?
    Ich schleudere ihnen eine Moralpredigt entgegen, die sich gewaschen hat. Sie endet mit der Frage: »Was wollt ihr eigentlich später mit eurem Leben anfangen? Einen Schulabschluss wollt ihr ja offensichtlich nicht.« Dann frage ich gezielt einzelne Schüler und Schülerinnen.
    Abdul: »Frau Freitag, bei uns ist das irgendwie anders. Bei mir in der Familie hat keiner einen Abschluss. Oder wenn, dann nur einen Hauptschulabschluss. Aber die Eltern geben denen trotzdem Geld, wenn die Schule vorbei ist. So 5 000 bis 10 000 Euro.« Ich traue meinen Ohren nicht und schreie: »Na klar, Abdul, du meinst, deine Eltern geben dir 10 000 Euro, wenn du hier ohne irgendeinen Abschluss von der Schule abgehst? Das glaubst du doch selber nicht. Woher sollen die denn so viel Geld nehmen?« Jetzt mischen sich die Mitschüler ein: »Warum sollen deine Eltern dir Geld geben, wenn du alles verkackst?«
    Abdul sucht nach Auswegen: »Ich könnte auch so eine Ausbildung zum Bäcker machen. Bei meinem Vater. Der ist Bäcker. Da kann ich das auch ohne Schulabschluss.« Ich kläre ihn auf, dass sein Vater kein Bäckermeister sei.
    »Doch ist er.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.«
    »Doch, der macht das schon seit dreizehn Jahren, und wenn ich dann Bäcker bin, dann verdiene ich so zwischen 3 000 und 5 000 Euro im Monat.«
    »Wie bitte? Ein Bäcker – 5 000 Euro, komm mal klar, Abdul, komm mal in der Realität an. Ein Lehrer verdient 2 000 Euro, da kriegt doch ein Bäcker nicht 5 000!« Abdul guckt verwirrt.
    Samira dreht sich zu ihm und flüstert: »Willst du denn Bäcker sein?« Abdul kaut auf seiner Unterlippe und denkt nach. Diese neuen Fakten scheinen seine Zukunftspläne enorm durch einanderzubringen.
    Als ich Mehmet nach seinen Zukunftsplänen frage, bekomme ich folgendes Szenario: »Ich mach erst mal viel Geld.«
    »Wie denn, ohne Schulabschluss?«, frage ich.
    »Ich hätte da zehntausend Möglichkeiten.«
    »Illegale Dinge, oder was?«
    »Nein, legal.«
    »Nenn mir nur eine einzige Möglichkeit, wie du ohne Abschluss viel Geld verdienen willst.«
    Seine zehntausend Ideen behält er für sich und murmelt nur: »Dann heirate ich eben und bekomme zehn Kinder.« Nach dem Statement kann ich mich zurückhalten, denn jetzt wird er von seinen Mitschülern verbal zerfleischt.
    Ich frage mich allerdings immer noch: In welchem Alter kommen Jugendliche eigentlich in der Realität an?
    Ein paar Tage später kommt mir der Zufall zu Hilfe. Abdul hat einen Termin bei unserem hauseigenen Berufsberater. Zufällig sehe ich, wie er in das Berufsberaterbüro geht und stürze sofort hinterher: »Kann ich kurz mal was fragen? Wir hatten neulich eine kleine Wissenslücke: Abdul denkt, dass ein Bäcker unheimlich viel verdient. Sie wissen doch sicher, wie viel da netto rauskommt.« Der etwas schüchterne Berufsberater: »Also ein Bäcker …« Abdul versucht sich mit »Ich meinte

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