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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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dagegen tun? Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder du gewöhnst dich langsam daran, bis es nicht mehr weh tut, oder du wehrst dich, und zwar mit jeder einzelnen Faser deiner Person.
    Wir sind halt eben Ausländer!
    Aber schon nach ein paar Jahren intensiven Leidens wird alles besser. Souverän schlendert man in den Unterricht und lässt sich nur noch selten aus der Ruhe bringen. Man kann sich endlich auf die Schüler konzentrieren. Und vor allem im Kunstunterricht lassen sich die relevanten Themen des Alltags bearbeiten.
    »Und was bekommt Ronnie auf sein Bild?«
    »Bestimmt doch wenigstens eine Vier, oder?«, nuschelt Ronnie schon leicht genervt.
    »Nee, ist sogar eine Drei«, antworte ich großzügig lächelnd.
    Raifat stößt Abdul an und flüstert: »Klar, weil er Deutscher ist.«
    »Ihr wollt doch nicht im Ernst sagen, dass ich rassistisch bin, oder? Ich gebe doch dem Ronnie nicht eine Drei, nur weil er Deutscher ist!«
    Immer wieder dieses Ausländerding! Wer von meinen Schülern ist denn eigentlich Ausländer? Die wohnen alle hier in Deutschland und sind doch auch alle hier geboren.
    Am ersten Tag mit meiner Klasse habe ich ein Kennenlernspiel gemacht. Alle sitzen im Stuhlkreis, ich sage etwas, und derjenige, auf den das zutrifft, soll aufstehen: »Alle, die gerne spät ins Bett gehen, sollen aufstehen! – Alle, die Ferien mögen, sollen aufstehen! – Alle, die Simpsons gucken, sollen aufstehen!« Dann übergebe ich die Fragerrolle an einen Schüler: »Alle, die Facebook sind, sollen aufstehen.« Und so weiter. Irgendwann: »Alle, die Ausländer sind, sollen aufstehen.« Fast alle springen auf. Ich übernehme wieder und sage: »Alle, die hier geboren sind, sollen aufstehen.« Die gleichen Schüler springen auf, und als ich frage, wessen Eltern hier geboren sind, setzt sich auch niemand wieder hin.
    Also was denn nun? Hier zur Welt gekommen und trotzdem Ausländer sein wollen? Zwei Drittel der selbsternannten Ausländer besitzen einen deutschen Pass und kennen ihr »Heimatland« nur aus dem Fernsehen oder von Kitschpostkarten.
    »Warst du denn schon mal im Irak oder in Syrien oder in Palästina?« Nö! War natürlich kaum einer. Aber im Kunst unterricht finde ich doch wieder auf jedem Bild die kurdische Flagge oder den weißen Halbmond mit Stern, auf jedem dritten Namensschild prangt die libanesische Tanne und Koransuren lassen sich auch in jedes Thema einarbeiten.
    Natürlich gönne ich meinen Schülern die Sehnsucht nach der perfekten Heimat, aber sich in meinem Unterricht als Ausländer zu bezeichnen und vor allem jeden Grammatikfehler damit zu entschuldigen, das kann ich nicht tolerieren.
    Sagte doch neulich der Referendar Herr Rau, der seit einem Jahr mit meiner Klasse kämpft: »Na ja, die Südländer, die hinten sitzen, haben sehr gestört.«
    »Südländer? Die wohnen alle in der Neustadt, und das ist eher im Norden.«
    Jeden Donnerstag führe ich im Kunstunterricht mit Aygül aus der 10. Klasse das gleiche Gespräch. Aygül ist lieb und nett, sitzt immer in der ersten Reihe, sie hat nur ein Problem: Man scheint ihr nirgends Zeichenmaterial verkaufen zu wollen. Und das schon seit drei Jahren.
    »Frau Freitag, Bleistift?«
    »Bleistift?«
    »Frau Freitag, kann ich Bleistift?«
    »Klar, wenn du den Satz korrekt sagst, mit Artikeln und allem drum und dran.«
    »Aber wir sind Ausländer, wir sprechen halt so.«
    »Also, erstens hast du ja wohl einen deutschen Pass und bist deshalb Deutsche, vielleicht noch türkische Deutsche oder deutsche Türkin, und zweitens ist das doch wohl keine Entschuldigung, so bekloppt zu sprechen. Wenn du in der Öffentlichkeit so redest, denken die Leute: Die ist ein bisschen dumm. Und wenn du dann in einer Arztpraxis arbeitest, denken die Patienten: Na, wenn die Arzthelferin dumm ist, dann ist bestimmt auch der Arzt schlecht, und gehen wieder. Und alles nur, weil du keine Artikel benutzt.«
    »Ach, so habe ich das noch nie gesehen. Könnten Sie mir jetzt bitte trotzdem einen Bleistift ausleihen, ich habe meinen nämlich leider vergessen.«
    »Klar. Hier. Bitte.«
    Integration fetzt
    An meiner Schule haben wir mit der Integration überhaupt kein Problem. Fröhlich integrieren wir seit Jahren und sind damit sehr erfolgreich. Beim letzten Ramadan übergab sich Susi in der Mathestunde, weil ihr vom Fasten schlecht geworden war, und Rainer kam im März vor dem Unterricht auf mich zu: »Ich heiße ab jetzt Mohamed.« Stoisch reagierte er nicht mehr auf seinen Kartoffelnamen

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