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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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sie mich dann ansprechen, antworte ich nur einsilbig und gehe sofort in eine andere Richtung, sobald wir das Schulgebäude betreten haben. Erst mal eine rauchen. Erst mal runterkommen. Mich bei den Kollegen ausheulen.
    Wie haben die Sie denn jetzt schon wieder blamiert, Frau Freitag?
    Indem sie sich wie Vollidioten benommen haben. Wir waren in der Öffentlichkeit, und das vertragen sie schlecht. Sie benehmen sich im öffentlichen Raum wie gehirnamputierte, kulturlose Affenmenschen. Wenn ihnen jemand was erzählen will, was sie eigentlich interessieren sollte – denn es ging um sie, um ihre verdammte Zukunft –, dann quatschen sie miteinander, hören heimlich Musik, spielen mit ihren Handys, schreien irgendwelchen Mist in den Raum, und ich sitze dazwischen, ermahne sie dreimal, (zweimal nett, einmal etwas lauter), aber es nützt nichts. Dann gebe ich auf und gucke mir das Schauspiel an, schäme mich, fange innerlich an, sie zu hassen, hoffe, dass die Zeit schnell vorbeigeht und entschuldige mich bei dem Schulfremden, der meiner Deppenklasse etwas beibringen wollte.
    Den ganzen Rückweg zur Schule denke ich: »Arschlochkinder, Arschlochkinder, Arschlochkinder.« Manche merken, dass ich sauer bin, und halten sich von mir fern. Marcella merkt einfach gar nichts mehr und schreit auch noch im Bus rum, bis ich frage, ob sie mich nicht schon genug blamiert hätte und nicht wenigstens zwei Stationen die Klappe halten könne.
    Ihre Antwort: »Aber, Frau Freitag, es weiß doch niemand, dass Sie zu uns gehören.«
    »Doch, das wissen alle!« Denn das sieht man an meinem Gesicht.
    Und jetzt überlege ich schon seit Stunden, wie ich ihnen morgen gegenübertreten soll. Erst habe ich an eine herzzerreißende Ansprache gedacht: »Ich bin sehr enttäuscht, ich fühlte mich total blamiert.« Und so weiter. Aber jetzt denke ich, dass ich morgen die Fräulein-Krise-Methode anwenden werde. Ich werde mich bei ihnen entschuldigen. Dafür, dass ich ihnen zugemutet habe, an einen Ort zu gehen, an dem sie sich mit ihrer Zukunft beschäftigen sollen. Sorry, kommt nie wieder vor. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich schwöre, ich werde euch nie wieder auf Ausbildungsmöglichkeiten oder Berufswahl ansprechen. Ich verspreche es euch, nie wieder!
    Dann am Tag danach. Auftritt Frau Freitag: Freundlich empfängt sie ihre Klasse, hört sich geduldig dies und das an, antwortet sanftmütig und bittet die lieben Kleinen, sich nach dem Klingeln auf ihre Plätze zu begeben.
    »Ich möchte gerne noch etwas zu gestern sagen.« Die Klasse schweigt. In manchen Augen sehe ich so etwas wie ein leicht aufflackerndes Schuldbewusstsein. »Ich möchte mich bei euch entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich gestern mit euch bei dieser Veranstaltung war. Ich dachte irgendwie, dass euch das interessiert. Aber das war mein Fehler und nicht eurer. Ich dachte, dass ihr in der 9. Klasse ein Interesse an eurer Berufswahl hättet, aber dann fiel mir ein, dass die meisten von euch ja gar keine Berufsberatung brauchen. Miriam, du heiratest ja sowieso einen reichen Mann, warum solltest du da einen Beruf lernen. Abdul?«
    Ich bin gerade voll im Flow, da unterbricht mich Peter, der direkt vor meiner Nase sitzt »Aber Frau Freitag, wenn man verheiratet ist, dann muss man doch auch einen Beruf haben, das kostet doch auch alles Geld, also, die Hochzeit, das Brautkleid, der Kuchen …«
    »Bei Moslems braucht man aber kein Geld, da bezahlt das alles die Familie«, klärt ihn Elif auf.
    Weg war mein Flow. Ich flüstere Peter zu, dass man natürlich auch arbeiten kann und sollte, wenn man verheiratet ist. Zum Glück sitzt Miriam ganz hinten und bekommt von der kurzen Unterbrechung nichts mit. Also versuche ich, mit meiner Predigt fortzufahren: »Und du, Sabine, klar bist du frustriert. Deine Schwester macht gerade das Abitur, dein Bruder den Realschulabschluss, und du wirst nicht mal die 9. Klasse schaffen.«
    »Schaff ich wohl«, brummelt Sabine in ihren Schal.
    Nach und nach erkläre ich allen Schülern, warum ich total verstehen kann, dass sie sich nicht mit der eigenen Berufswahl auseinandersetzen.
    Als ich fertig bin, meldet sich Abdul: »Frau Freitag, warum glauben Sie eigentlich, dass wir das alles nicht schaffen?«
    »Abdul, weil ich eure Noten gesehen habe.«
    »Aber Sie machen immer alles an diesen Noten fest.«
    Süß. Ich grinse: »Ja, woran soll ich das denn sonst fest machen? Eure Noten sind doch das Entscheidende für euren Abschluss.«
    »Ja, aber Sie denken ja

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