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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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befremdet das und ich will das nicht. Das entfernt mich von den Schülern. Ich fühle mich ehrlich gesagt immer ausgeschlossen, wenn sie von sich als Ausländern sprechen. Wir wohnen doch alle hier, im selben Land – und leben fast alle von den Steuergeldern, die hier in diesem Land bezahlt werden.
    Es ist echt an der Zeit, dass man sich von Begriffen wie »Ausländer«, »ausländische Schüler« und auch diesem ganzen Hintergrundskram verabschiedet. Okay, bei Lehrerzumessungen kann das noch eine Rolle spielen, aber im Umgang mit den Schülern muss es echt egal sein, wo der Opa herkommt. Wie würden sich denn die Kollegen fühlen, wenn es hieße: »Na ja, die hat die Klasse nicht im Griff, die Oma kommt ja auch aus Bayern. Aus einem bayerischen Dorf …«
    Der dicke Dirk
    Ach, herrje, diese Montage … Sagte ich schon, wie schön ich das finde, dass man mir erst eine Doppelstunde in einer 8. Klasse und dann noch eine Doppelstunde in der 7. Klasse verordnet hat? So viel Zutrauen in meine pädagogischen Fähigkeiten macht mich jeden Montag aufs Neue glücklich. Man gibt mir diese schwierigen Klassen. Man muss viel von mir halten.
    Vor lauter Glück schleppe ich mich jeden Montagnachmittag völlig ermattet nach Hause und kann gerade mal noch an meinem Kaffee schlürfen. Aber auch nur, wenn er mir gereicht wird.
    Ist es eigentlich eine biologische Notwendigkeit oder eine göttliche Fügung, die sich so äußert: »Ihr Siebtklässler, seid nicht wie Menschen! Benehmt euch wie tollwütige Hunde! Und solltet ihr in die Nähe von Unterricht kommen – zerstört ihn!«
    Mein Unterricht in der siebten Klasse erstreckt sich von der Stunde vor der Mittagspause bis in die Stunde nach der Mittagspause. Der dicke Dirk muss schon in der ersten Stunde – also vor der Pause – ziemlich lange vor der Tür stehen, weil er seinen Mund einfach nicht halten kann. In seiner Abwesenheit versuche ich die Kunstaufgabe zu erklären. Es geht um Farbe.
    »Was sind denn wohl die Grundfarben?«, frage ich und lasse jeden mal zu Wort kommen. Jeder darf drei Farben nennen. Ich höre: rot, grün, schwarz, blau, weiß, braun und sogar bunt. Die nächsten zwanzig Minuten erarbeiten wir gemeinsam, was die Grundfarben sind. Na ja, ich lenke, ich zerre sie in die richtige Richtung.
    Nach einer weiteren Viertelstunde habe ich mehrere Kugelschreiber, zwei Gummibänder, eine Colaflasche und einen Spiegel auf meinem Schreibtisch liegen, den dicken Dirk vor der Tür stehen, keine Stimme mehr, aber auch zwei herrliche Sätze an der Tafel: Grundfarben sind Farben, die sich nicht mischen lassen: rot, gelb und blau. Und: Alle anderen Farben kann man mit den drei Grundfarben mischen. Unterricht wie aus den 50er Jahren. Vor lauter Lebensweltbezug können sich die Schüler nur noch schwer am Platz halten.
    Dann ist Pause und alle hauen endlich ab auf den Hof. Ich wiederhole mein übliches Mantra vor dem Klingeln: »Nehmt euer Essen mit! Nehmt eure Getränke mit! Vergesst eure Jacken nicht!« Dann ist endlich Ruhe. Aber schon nach 40 Minuten kommen sie wieder. Aufgeputscht von ihren seltsamen Pausenaktivitäten. Meistens rennen sie rum und hauen sich.
    Nach der Pause kommt auch der dicke Dirk wieder rein, setzt sich aber nicht auf seinen Platz, sondern ganz nach hinten zu Mohamad. Und mit Mohamad tuschelt er rum, und ich sehe, dass sie da irgendwas haben, irgendwas, was sie wahrscheinlich nicht haben sollen. Ich gehe zu ihrem Tisch und sehe zwei große weiße Papiertüten mit sehr fettigem Inhalt, denn die Tüten haben überall durchsichtige Fettflecke. Mein Adrenalin steigt: FETT! In meinem Raum, auf meinen Tischen! Eine Todsünde! Ich öffne die eine Tüte mit dem Zeigefinger, um den Inhalt genauer zu inspizieren – BÖREK! Die zweite Todsünde. Nach den Frau-Freitag-Gesetzen, die sich an der Scharia orientieren, steht auf Börek mindestens ein Tobsuchtsanfall. Dirk guckt mich etwas schuldbewusst an: »Ich hab voll Hunger.«
    »Dirk, du hattest 40 Minuten Zeit zu essen, du wirst hier jetzt nicht essen!«, zische ich durch die Zähne. Mohamad nimmt sofort seine Tüte und stopft das fettige Ding in seinen Rucksack. Dirk nicht. Er greift in die Tüte, reißt sich ein Stück von der Kalorienbombe ab und schiebt es sich in den Mund. Jetzt reicht es mir.
    »DIRK! Entweder du packst diesen Scheiß sofort weg und fängst an zu arbeiten, oder du kannst den Raum verlassen, bekommst eine Sechs für die Stunde und deine Klassenlehrerin wird anschließend sofort

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