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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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informiert.«
    »Ich hab Hunger, ich muss essen!«, windet sich Dirk. Ich schicke ihn wieder raus. Sein Börek nimmt er mit.
    Nach zehn Minuten scheint er satt zu sein und will wieder rein.
    »Nein, du bleibst jetzt draußen.«
    »Aber ist langweilig hier.«
    »Ist mir egal«, sage ich und schließe die Tür vor seiner Nase.
    Etwas später gehe ich noch mal zu ihm: »Dirk, jetzt mal unter uns …du siehst nicht gerade aus, als würdest du verhungern, wenn du nichts isst.« Dirk ist total übergewichtig. Und bei der Statur so einen Börekaufstand zu machen, das ist für Dicke echt untypisch.
    »Dirk, du hattest 40 Minuten Zeit, etwas zu essen.«
    »Nein, ich hatte keine Zeit.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Ich musste einen Kampf gucken.« Ich schüttele nur den Kopf und schließe die Tür wieder vor seiner Nase.
    Drinnen warte ich auf das Ende der Stunde, stürze mich in das Aufräummanöver, spiele mit den Schülern in den letzten Minuten noch Vier-Ecken-Raten, damit sie meinen barschen Ton während des Saubermachens wieder vergessen, und irgendwann werden wir alle vom Klingeln erlöst.
    In meinem Raum darf einfach nicht gegessen und getrunken werden, weil die Schüler ihren Eistee immer umschmeißen und ich keine Börekkrümel auf den Tischen haben möchte. Alle Schüler, die bei mir Unterricht haben, wissen das. Auch der dicke Dirk. Trotzdem kommt es ab und zu doch wieder anders.
    Neulich in einer Klasse von – na ja, sagen wir – leicht minderbemittelten, aber schon älteren Schülern packen zwei zu Beginn der Stunde als Erstes ihre Trinkpäckchen aus. Wie ich diese Dinger hasse. Die sind mir ein Dorn im Auge, denn es spritzt immer was von diesem wässrigen Gesöff auf die Tische und verklebt alles. Noch schlimmer ist nur Eistee in 1,5-Liter-Packungen, der ständig umfällt und eine noch größere Schweinerei verursacht. Jedenfalls will Ahmet gerade den Strohhalm durchpieken, da fliege ich schon über die Tische, schreie »NEIN!« und entreiße ihm die Packung. Ich stelle sie auf das Regal hinter meinem Schreibtisch. Eigentlich ein sehr sicherer Ort, der für jeden unter zwanzig tabu ist. Ich denke: Super – Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Aber eine halbe Stunde später ist die Packung Orangensaftersatz weg, und ich finde sie leer neben dem Papierkorb. Mist. Wie konnte das passieren? Weil ich diesen Kriminalfall nicht lösen kann, da ich nichts mitbekommen habe, schmeiße ich unauffällig die Packung in den Papierkorb und tue so als, wäre nichts geschehen. Innerlich bin ich schon leicht überhitzt.
    Kriminalistisch hellwach sehe ich, dass der Partytisch eine Runde Bonbons verteilt. Aha, diese grünen, die schmecken genauso wenig wie dieser Schrottorangensaft. Mal sehen, wo das Papier nachher landet. Jedenfalls weiß ich jetzt schon, wer das Papier später aufheben wird. Diesmal nicht ich!
    Der King in dieser Lerngruppe, Ali (Zitat: »Ich bin Pablo Escobar, ich kann das Papier nicht aufheben«), kommt grundsätzlich mit einer Flasche Cola in den Unterricht. Ein ganz typisches Verhalten aller Schüler unserer Schule: Nach einer Hofpause in den Raum zu kommen und zunächst gemütlich frühstücken wollen.
    Ich sage dann immer wieder: »Missjöh, du hattest gerade 25 Minuten frei, da konntest du doch essen.«
    »Da hatte ich zu tun.«
    Wenn ich allerdings eine Doppelstunde habe, unterbrochen von einer großen Pause, dann verlässt niemand den Raum ohne sein Schulbrot. Das muss beim Rausgehen vorgezeigt werden. Aber offenbar machen das die Kollegen nicht, denn die armen Kleinen kommen immer völlig verhungert aus den Pausen.
    Sind die Schüler anderer Schulen auch so verfressen? Tun sie auch so, als stürben sie, wenn man ihnen die Nahrungsaufnahme während des Unterrichts verbietet?
    Außerhalb der Schule geht ja gar nicht!
    Meine eigene Klasse nervt mich nicht nur mit Essen und Trinken während des Unterrichts, ab und zu blamieren sie mich auch. Wenn sie mich blamieren, hasse ich sie! Wenn sie mich blamieren, denke ich: Eure Abschlüsse sind mir scheißegal, ihr Deppen! Wandert doch in ein langweiliges Hartz-IV-Leben. Ich werde keinen Finger mehr für euch krumm machen. Ihr könnt mir den Buckel runterrutschen. Kommt, fragt mich mal nach einer Klassenfahrt. Kommt, fragt mal, dann lache ich euch nur ins Gesicht und sage: »Klassenfahrt? Mit euch? Auf KEINSTEN!«
    Wenn sie mich mal wieder blamiert haben, dann marschiere ich im Stechschritt vor ihnen her und warte nur an den Straßen, weil das meine Pflicht ist. Wenn

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