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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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Die Schülerinnen sahen das als Einladung zur Selbstbedienung, und diese ungünstige Verquickung von Zufällen führte zu folgender Situation: »Jaaa, Frau Freitag schminken!« Gesagt – getan. Zuerst machte sich Sabrina ans Werk und pinselte mir die unmöglichsten Grüntöne über die Augen. Mein ganzes Gesicht wurde mit einer klebrigen Make-up-Masse zugekleistert und Sabrina bestand auf einem nach oben gezogenen Lidstrich. Das Ergebnis war so schockierend, dass sie laut zu lachen anfing und sagte, dass das die Rache für den letzten Elternbrief sei.
    »Quatsch, Sabrina, du kannst das einfach nicht«, stellte Mariam fest, schminkte mich sofort wieder ab und dann neu. Diesmal mit silbernem Glitzer um die Augen rum: »Voll schööön, Frau Freitag.« Ein Pfund Wimperntusche und Puder dazu. »Und, wie gefällt es Ihnen?«, fragte sie stolz.
    Und was sollte ich da sagen? Ich sah aus, als ginge ich gleich zur Arbeit in eine Table-Dance-Bar. »Oh, schön. Ja, sieht gut aus.«
    »Ja, jetzt werden sich alle auf der Straße nach Ihnen um drehen.« Damit hatte sie wahrscheinlich gar nicht so unrecht – so schrill wie ich aussah, würde das auch Fremden auffallen.
    »Was wird Ihr Freund sagen?«
    Der Freund guckte mich an und lachte sich schlapp: »Oh Mann, deine Mädchen und ihre billige Teenagerschminke. Das musst du dir aber sofort runterwaschen.«
    Irgendwie war ich von der Reaktion ein wenig enttäuscht, denn ich fand, ich sah gar nicht so schlecht aus – vielleicht ein wenig zu viel Glitzer, aber sonst …
    Einfach mal ein Krankenhaus besuchen
    Wenn man sich mit der Klasse aus dem Schulgebäude wagt, bleibt es nicht aus, dass etwas passiert. Wir sind einen Tag lang in Werkstätten, in denen den Schülern die raue Arbeitswelt nähergebracht werden soll.
    Eigentlich hatte ich mich schon auf das Mittagessen gefreut, da kommt Mehmet plötzlich blutend an. Mit geschulten Augen stelle ich fest, dass er auch einen kleinen Fußmarsch aushalten wird. Ich latsche also mit Mehmet ins Krankenhaus. Mehmet ist noch nicht so lange in unserer Klasse. Erst war er auf einer Gymnasiumschule, dann an einer Realschule, dann an einer anderen Realschule und jetzt ist er bei uns gelandet. So ganz schlau werde ich noch nicht aus ihm. Ich habe den Eindruck, dass er nicht ganz sauber ist.
    Mit seiner Lehrerin alleine unterwegs zu sein ist für ihn wahrscheinlich unangenehmer als für mich. Spätestens im Warteraum wird klar: Ich bin nicht Mehmets Mutter. Und das liegt nicht nur daran, dass er mich siezt, sondern auch daran, dass wir uns angeregt unterhalten. Ich beginne unseren kleinen Ausflug mehr und mehr zu genießen.
    Das Krankenhauspersonal guckt Mehmet an, als sei er ein Außerirdischer. Wahrscheinlich verarzten die dort nicht viele Jugendliche mit Migrationshintergrund. Man lässt uns lange warten. Dann bringt uns eine Schwester in einen sterilen Untersuchungsraum. Mehmet: »Voll Operationssaal und so. Mit Fernseher und so.«
    Mir wird schlecht in diesem Raum. Ich schlage vor, dass Mehmet sich auf die Liege legt, damit ich mich auf den einzigen Stuhl im Raum setzen kann. Nun liegt er da, und ich sitze an seinem Fußende. Es entsteht eine therapeutische Atmosphäre, in der wir über Gott und die Welt plaudern. Streng genommen könnte man sagen, dass ich ihn ausfrage, da ich die Gesprächsthemen bestimme. In der Stunde, die wir in diesem Raum zusammen warten, verändert sich mein bisheriges Bild von Mehmet.
    Ich hätte nie gedacht, dass er gut kochen kann und sogar backt. Er erklärt mir die Zubereitung eines Pilzgerichtes mit Sahne so detailliert, dass ich ihn bitten muss, über etwas anderes zu reden, da ich dem Hungertod nahe bin.
    Wir reden über Mode. Mehmet beschreibt, nach welchen Gesichtspunkten er seine Klamotten kauft. »Also, die Schuhe müssen zu den Hosen passen und die Jacke zum Käppi.« Wir reden über Mädchen. »Mit den Mädchens kann man sich viel besser unterhalten als wie mit den Jungs. Wir gehen immer spazieren, dies, das.«
    Wir reden über die Pokerräuber. Das waren mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund, die eigentlich auch auf unsere Schule hätten gehen können. In die Presse kamen sie, weil sie mit Pistolen und Macheten ein großes Pokerturnier überfielen und sich dabei unheimlich blöd anstellten. Die Polizei sagte damals: »Die Dummheit hat eine neue Dimension erreicht.«
    Ich sage: »Einen roten Pulli anzuziehen, wenn man einen Überfall plant, ist doch wohl sehr bekloppt, oder? Vielleicht haben die

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