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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sich ab und an mit einem Vorderlauf abzustützen.
      Ron schaute ihm nach. ,Fatzke’, dachte er spöttelnd. ,Und wenn du noch so sehr den Anführer herauskehrst und unsere Erzeuger nachzuahmen versuchst, den aufrechten Gang schaffst du nie!’ Er rangierte den Servierwagen, stemmte sich gegen das Querholz und schob ihn in den Korridor. Er entriegelte mit Mühe die Tür zu den Geschäftsräumen, dem Trakt der Gefangenen, und lenkte sein Gefährt dort hinein. Überrascht blieb er stehen, brachte jedoch ein heiseres „Guten Morgen“ hervor:
      Die Einrichtung des Zimmers bot im Vergleich zum Vorabend ein verändertes Bild. Die drei Computertische und die Regale mit den Datenträgern befanden sich eng gestellt in der rechten Fensterecke, so dass lediglich ein Arbeitsplatz als solcher genutzt werden konnte. Um die Sitzgruppe herum standen jetzt alle, vor dem im Raum verteilten Grünpflanzen und rahmten Couch, Sessel und Tisch ein.
      Aber auch die Initiatorin der neuen Raumgestaltung schien sich gewandelt zu haben.
      Susan saß im Sessel. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen und blickte Ron lächelnd entgegen. Sie hatte ihn offenbar erwartet. Ihr rundliches Gesicht zeigte keine Spur von der bis dato absichtlich zur Schau gestellten Abscheu, sondern strahlte gleichsam einladende Freundlichkeit aus. Das dunkle Haar trug sie offen, es fiel wellig auf die nackten Schultern. Bekleidet war sie lediglich mit einem weißen Frottiertuch, das sie über der Brust verwunden hatte. „Na, was bringst du Schönes. Ich habe Hunger“.
      Ron schloss das Maul und schob seinen Wagen ungeschickt der Frau in Reichweite. Und er empfand es zum ersten Mal bewusst als vorteilhaft, dass man seinem Gesicht Gefühlsregungen nicht ansehen konnte.
      „Bleib noch“, rief Susan, als Ron sich ein wenig hastig entfernen wollte. „Wie heißt du?“, fragte sie wie beiläufig. Sie goss sich dabei Kaffee ein, blickte aber unter der Ellbogenbeuge aufmerksam auf ihr Gegenüber.
      „Ron“, antwortete er, und er wunderte sich, dass seine Stimme nichts von der Beklemmung in seiner Kehle erahnen ließ. Was war mit dieser Frau geschehen! Er hatte an ihrer Festnahme zwar nicht teilgenommen. Aber nach den Schilderungen der Gefährten hatte sie sich heftig gewehrt. An ihrer ramponierten, zerbissenen Kleidung konnte er sich ein Bild davon machen. Ihm selbst hatte sie bei der ersten Begegnung, als er befehlsgemäß höflich nach ihren Wünschen fragte, ins Gesicht gespuckt und nach ihm getreten, ihn dabei mit üblen Verwünschungen und Beleidigungen bedacht. Er erinnerte sich nur zu gut, welche Verachtung ihr Gesicht ausdrückte, als er das Abendessen brachte und später wieder abräumte. Und jetzt? Er ahnte, dass hinter ihrem Wandel mehr stecken mochte, als pure Freundlichkeit. Doch da spürte er sie wieder, die Blokkade in seinem Gehirn, das Handikap der vermurksten Kreatur, die Unfähigkeit, kombinierend vorauszudenken.
      „Weißt du schon, wie es weiter geht?“, fragte sie und trennte ein Brötchen in zwei Hälften, als sei dies das Wichtigste im Augenblick.
      „Lux wird nachher… Er bittet dich um eine Unterredung.“
      „Lux, ah.“ Sie sah kurz auf und langte nach der Konfitüre. „Den habt ihr zu eurem Leithu… Anführer gekürt.“
      Ron antwortete nicht. Er übersah geflissentlich den Spott in ihrem Gesicht.
      „Er bittet mich also…“ Susan schluckte einen Bissen und trank einen Schluck hinterher. Dann sah sie Ron zwingend an und fragte: „Was wäre denn, wenn ich mich auf dich stürzte, dir eins über den Schädel zöge und verschwände? Besonders kräftig bist du nicht.“
      Ron schwieg überrascht. Dann bedauerte er, dass man ihm sein Lachen nicht ansehen konnte. „Du kämst nicht weit“, sagte er mit Nachdruck. Er fletschte eine Sekunde lang die Zähne.
      „Na, na.“ Susan hob abwehrend die rechte Hand. Aber sie lachte dabei. „Wie viele seid ihr eigentlich?“ Es klang obenhin, als frage sie, wo sich der Salzstreuer befinde.
      „An die fünfz… – genug jedenfalls.“ Ron hatte sich rasch unterbrochen. Er spürte ihre Absicht, ihn auszuhorchen. „Das Objekt ist ordentlich bewacht. Patrouillen… Es täte Lux bestimmt leid, wenn dir etwas zustieße.“
      „Sag deinem weichherzigen Lux, dass ich bereits Hilfe angefordert habe, dass meine Leute wissen, wer oder was mich gekidnappt hat. Ihr ward ja so superschlau, die Computer und Telefone nicht zu blockieren“, spöttelte

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