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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sie. Und sie versuchte den leichten Schreck zu verbergen, der sie überfallen hatte, als Ron die Anzahl seiner Spezies nannte.
      „Ich glaube, das ist völlig unerheblich“, entgegnete Ron, aber überzeugt war er von seiner Behauptung keineswegs. Schon wieder ein Denkfehler – mangelnde Weitsicht? ,Oder hat uns Lux doch einiges voraus?’
      Er machte kehrt, zwängte mit dem Kopf die Tür auf und ließ die noch lächelnde Susan zurück.
      Nachdenklich zerklopfte die Frau das Ei, warf es auf den Teller zurück, als ihr das noch flüssige Eiweiß über die Finger floss. ,Woher sollen sie Eier kochen können’, dachte sie hämisch. ,Großmäuler!’
      Ihr zur Schau gestellter Gleichmut fiel von ihr ab. Ungewissheit und Furcht schlichen sich erneut in ihr Denken. Auch wenn sie die in der Nacht geführten Telefonate rekapitulierte, wurde ihr nicht wohler. Zwar hatten ihr die Worte Freds ein wenig Trost gegeben, aber an eine konkrete Hilfe seinerseits war, weiß Gott, nicht zu denken. Abwarten, was die wollen – so die lapidare Devise Lehmanns, des Direktors. Auf keinen Fall selbstständig die Öffentlichkeit einschalten. Verbindung und Absprachen nur mit ihm, dem Leiter des Instituts. Man täte alles im Einvernehmen mit den Behörden, um zu helfen, sie zu befreien und die Situation zu klären. Noch gebe es keine Verbindung zu den Tätern. Möglicherweise kläre sich die Entführung als verhältnismäßig harmlos auf. Wichtig sei, auch im Interesse des Instituts, zu erfahren, was die Kidnapper mit ihrer Tat beabsichtigen… Eine Gefahr für Leib und Leben sehe man zunächst nicht. Man bitte, auf dem Laufenden gehalten zu werden, sofern der Zugang zu den Geräten erhalten bliebe. Sie solle ihren Optimismus nicht aufgeben, und man wünsche ihr Zuversicht und Durchhaltevermögen.
      ,So ein verdammter Miesling’, dachte Susan Remp. Mit einem Mal war ihr klar geworden, was sie in den letzten Monaten in die Datenbank und das Bildarchiv eingestellt hatte, was ihr die Lindsey unter strenger Vorsicht an Material anvertraut hatte. Sie hatte das für Einzelversuche gehalten – so wie den allerersten, bei dem anschließend der Proband eingeschläfert wurde. ,Dass sie eine aggressive, riesige Meute, fünfzig Monster, erzeugt haben, wer denkt denn so etwas? Und die feine Lindsey mit ihrem Puppengesicht und manchmal einfältigem Blick vorne dran…’
      Susan nahm mit wenig Appetit den letzten Bissen. Sie hatte sich vorgenommen, nicht nur gute Miene zum bösen Spiel zu machen, sondern sich, so weit wie möglich, fit zu halten. Den Schein zu wahren, als nehme sie die Kreaturen ernst, erkenne sie sie als eine Art gleichberechtigt an, schien ihr die bessere Variante, als sie permanent eine Verachtung spüren zu lassen. Dieser Ron konnte ein brauchbarer Informant werden.
      ,Meine Güte – fünfzig!’ Spontan erhob sich die Frau und machte die wenigen Schritte zum Computer. Doch dann zögerte sie, ihn einzuschalten. ,Nachdenken!’, gebot sie sich. ,Warum wissen wir nichts von dieser großen Anzahl? Neunundzwanzig von ihnen sind im Institut erzeugt worden, neunundzwanzig! Und woher kommen die anderen? Hat dieser Ron vorhin angegeben, geschwindelt? Warum sollte er? Um sich interessant zu machen, darauf zu verweisen, dass eine Flucht aussichtslos wäre?’
      In Susan stieg eine Ahnung auf, dass hinter dem Projekt wesentlich mehr stecken mochte, als den normalen Institutsangehörigen gemeinhin bekannt gegeben worden war. ,Warum will Lehmann, dass ich nun ausschließlich nur mit ihm kontaktiere? Weshalb soll ich nicht an die Öffentlichkeit – wer weiß, wie lange ich es überhaupt noch könnte…’
      Sehr bald war sich Susan im Klaren, dass sie müßig spekulierte. Auf diese Fragen fand sie keine Antwort. Sie ahnte aber auch, dass sie keine befriedigende erhalten würde, wenn sie Lehmann direkt zur Rede stellte. Das schloss sie aus dem nächtlichen Disput. ,Fred, Fred – weiß er? Kann er etwas herausbekommen? Nein, er ist gewiss nicht informiert. Er hätte mir zumindest angedeutet… Hätte er?’ Spontan griff Susan zum Schalter – und zog die Hand zurück. ,Nicht im Institut!’ Und sie spürte bereits etwas von der Ungeduld, die bis zum Abend, bis sie Fred in seiner Wohnung anträfe, an ihr nagen würde. Übertönt aber wurde dieses Warten von der bangen Frage, die in ihr kreiste: ,Warum ich? Mit den Arbeiten im Labor habe ich nicht das Geringste zu tun. Zweimal lediglich habe ich Föten gesehen und ich

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