Chimären
Teil staubigen Flaschen lagerte. Der Keller des Restaurants? Susans Herz klopfte bis zum Hals.
Mit einem bangen Gefühl stieg die Frau eine schmale Treppe hinan; denn oben sah sie eine massive Tür. Und sie wusste, dass sie zu dieser keinen Schlüssel haben würde. Die Tür aber war nicht verschlossen.
Äußerst vorsichtig öffnete Susan. Sie schloss nicht aus, dass sich auch innerhalb des Gebäudes Wächter aufhalten könnten.
Sie gelangte in eine Art geräumige Diele, auf die mehrere Türen mündeten. Eine davon stand offen, aus ihr drangen bekannte Geräusche: Klappern und Klirren, dazwischen das Rauschen von Wasser.
Langsam schob Susan sich vor, bis sie Einblick gewann.
Fred spülte Geschirr!
Susan verharrte, obwohl sie natürlich am Liebsten zu ihm hingestürzt wäre. „Fred“, rief sie stimmlos, „Fred!“
Beim zweiten Mal stutzte der Mann, drehte das Wasser ab und lauschte.
„Fred!“
Da sah er Susan.
Langsam, immer schneller werdend, schließlich rannte sie auf ihn zu, fiel ihm um den Hals und flüsterte: „Fred, lieber…“
M aster Shirley Lindsey hatte die Absicht, vom Flugplatz kommend, sich zu Hause lediglich ein wenig frisch zu machen und sofort ins Institut zu eilen.
Es erwartete sie jedoch eine Überraschung, die ihr zunächst jeden Elan nahm und sie für eine Stunde mit Gedankenleere zu apathischem Nichtstun zwang: Sie fand die Wohnung aufgeräumt vor und sichtbar aufgestellt einen Brief von Manuel, in dem er ihr schlicht und mit lieben Worten, aber eindeutig mitteilte, dass er ausgezogen sei, bis er ein Signal erhielte, dass sie sich vom ungesetzlichen Anteil ihrer Arbeit losgesagt hätte. Bis dahin wolle er weder Mitwisser sein und dadurch die Machenschaften des Lehmann decken, noch vom damit verdienten Mammon mit zehren. All das täte seiner Liebe zu ihr keinen Abbruch, aber ein Zusammenleben mit solcher Last könne er nicht ertragen. Das Schreiben endete mit dem Satz:
„Bitte suche mich nicht auf; ich werde arbeitsbedingt auch längere Zeit nicht anwe send sein. Gib mir die Nachricht auf die Mailbox. Ich liebe dich, Manuel.“
Unfähig, klare Gedanken zu fassen, duschte Shirley wie in Trance, dann las sie den Brief abermals, legte sich aufs Bett, starrte in die Zimmerdecke und begriff nicht. Dann formte sich in ihrem Kopf der Satz: ,Er lässt mich im Stich, einfach im Stich, jetzt, wo ich ihn mehr denn je brauche. Das ist Liebe? Er kann meine Probleme nicht mittragen? So selbstgefällig, Manuel Georges, kannst du sein?
Aber habe ich ihm gezeigt, dass ich selber mit mir über den Fortgang meiner Beteiligung an den Experimenten uneins bin?
Bin ich das wirklich?
Ich kann Lehmann nicht brüskieren, jetzt nicht. Ja, er trägt die Hauptverantwortung. Aber es sind meine Forschungsergebnisse, und ich habe freudig bis zu diesem Punkt mitgemacht. Nicht nur mitgemacht! Wer hat ihnen stolz auch noch das Sprechen beigebracht?
Oh ja, Herr Lehmann, wenn es eine Schuld gibt, und sie ist wohl unstrittig, dann trage ich meinen Teil! Ihn in dieser tiefen Scheiße sitzen zu lassen, wäre auch ein Verrat – ein größerer, als der an Manuel?
Manuel erpresst mich!
Er kommt zurück, wenn ich seinen Standpunkt akzeptiere, auf meine Arbeit verzichte.
Das ist doch Machodenken!
Wenn ich etwas aufgebe, dann doch aus meiner freien Entscheidung heraus und nicht aufgezwungen!
Auch von ihm lasse ich mir nichts aufzwingen.
Er zerstört die Vertrauensbasis…’
In Shirley stieg bei diesem Gedanken eine heiße Welle auf. ,Wie lange habe ich mit dem Vertrauen gespielt? Immerhin, nach dem Kodex dieser Gesellschaft, der er offenbar verhaftet ist, bin ich eine Verbrecherin. Ich habe Manuel zugemutet, mit einer solchen zusammen zu leben. Hat er nicht Recht, wenn er nicht weiter Mitwisser sein will? Und was spielt es da schon für eine Rolle, wenn ich mich für fortschrittlich, für eine Revolutionärin halte?
Nein, ich werde vielleicht keine Canismuten mehr zeugen, aber meine Lehre deswegen nicht leugnen. Wie viel Elend hat das Dynamit auf die Welt gebracht – hat man deswegen Nobel geächtet? Und Opfer sind in der Vergangenheit nicht ausgeblieben; es wird auch in Zukunft so sein. Mein Opfer – meine Liebe?’
Shirley Lindsey richtete sich auf. Sie biss auf die Zähne, dass die Kaumuskeln hervortraten. ,Ich muss ins Institut. Lehmann kämpft ums Überleben und braucht Hilfe. Lux und Schäffi
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