Chimären
Betracht“, sagte er kategorisch. „Die Festung ist einmalig in Europa, ist Kulturerbe… kurzum, außerhalb jeder Diskussion!“
Lehmann sog die Luft tief ein und lächelte der Geschäftsführerin zu. „Und etwas anderes, ein anderes Objekt?“
Der Bürgermeister hob die Schultern. „Ich sehe keine Chance. Selbst wenn es etwas Geeignetes gäbe. Unter einem halben Jahr ist das Genehmigungsverfahren nicht zu bewerkstelligen. Die Tiere kommen aus Ihrem Institut, Herr Lehmann, und da werden sie wohl oder übel – zunächst – wieder hin müssen. Ich sagte, z unächst.“ De r Bürgermeister kam dem Protest Lehmanns zuvor. „Eine andere Lösung könnte dann ordentlich vorbereitet werden.“
Lehmann hielt das Kinn aufgestützt, in seinem Gesicht arbeitete es. Dann sah er den Polizeichef an und fragte: „Äußerste Diskretion und die Unversehrtheit meiner Leute könnten Sie gewährleisten?“
„Das Erstere ja. Ansonsten, ein Restrisiko bleibt. Das A und O wird die Überraschung werden.“ Er knietschte die Zigarette mit dem Daumen aus.
Uwe Lehmann seufzte. „Gut, ich bin einverstanden“, erklärte er, an den Bürgermeister gewandt.
Sie berieten noch über zwei Stunden die Modalitäten der Aktion.
F urcht, die eine nie gekannte innere Unruhe in ihr auslöste, bemächtigte sich Susans, je näher der Freitag rückte, zu dem Lux das Ultimatum gestellt hatte und sie keine Lösung sah, sich mit Fred zu treffen.
Sie strich durch die Gebäude, die ihr zugänglich waren, blickte in die Räume. Sie fand in einem Abstellraum die drei neuartigen Schweber, und sie schlussfolgerte sofort, dass es jene sein müssten, mit denen ihre Befreier in die Festung eindrangen. Die Besatzer hatten mehrere Kabel zerbissen und die sensiblen Steuereinrichtungen verbogen, unbrauchbare Geräte hinterlassen.
Aber große Freude erfüllte Susan, als sie ebenfalls drei Lampen, drei Laser- und zwei geladene Betäubungspistolen vorfand. Sie frohlockte, wog eine dieser Luftdruckwaffen in der Hand und malte sich aus: Anschleichen an den Kordon, abdrücken, vielleicht noch einen zweiten aufs Korn nehmen, und schon…
Ein enttäuschender Gedanke trieb Susan kalten Schweiß aus: Sie hätten im Umkreis von mindestens 50 Metern Witterung aufgenommen, noch ehe sie das Gebäude erreicht haben würde. Und spätestens der dritte, der auf sie zukäme, schützte sich so, dass sie mit der Waffe nichts mehr ausrichten könnte. Danach wäre jede Hoffnung begraben, mit Fred zusammenzutreffen.
Und dann hieb sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. ,Wenn ich mich diesem Lux offenbare und ihn einfach bitte, mich mit dem Freund treffen zu können? Was sollte er schon dagegen haben?’ Der Gedanke war zunächst wie eine Befreiung von einem Alptraum.
,Gut, Fred war ein Angreifer, vielleicht hat gar er diese Glori… Und wenn ich mich diesem – Hund anvertraue, und er lehnt ab. Er weiß dann um unsere Beziehung, würde womöglich auch mich einsperren, um sicher zu gehen. Was hätten wir dann gekonnt?
Aber was schon sollten wir zu zweit, Fred und ich, unternehmen können, was jenen gefährlich werden könnte?
Fred kam aus der Sicht der Okkupanten in böser Absicht. Aber müsste nicht selbst dieser Lux verstehen, wenn er einen halbwegs menschlichen, wenn auch unausgereiften Verstand hat, dass Fred mich, seine Liebste, zurückhaben, befreien wollte?’
Susan zwang sich äußere Ruhe auf, obwohl ihre Nervosität, Ungeduld und Furcht ständig zunahmen.
Sie schlenderte umher, suchte nach wie vor grundlos die zugängigen Gebäude auf, stöberte.
Gegen Mittag befand sie sich im Informationsbüro, blätterte oberflächlich in Prospekten und Bildbänden, musterte mit wenig Interesse allerlei Souvenirkram.
Schon legte sie den Standardprospekt zur Seite, als ihr mehr unterbewusst ein Wort auffiel: „Geheimnisse“. Sie nahm das Papier wieder auf; von Tiefkellern und Kasematten als Geheimnisse der Festung las sie.
In die Frau kam Leben. Sie griff alles Material über das Objekt, setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum hinter dem Tresen und begann heftig zu blättern. Eine noch ungerichtete Hoffnung hatte sich ihrer be mächtigt. Keller, Kasematten. Freilich, wäre die Festung in einem früheren Kriegsfall unter Beschuss geraten, hätten die Verteidiger disponibel sein müssen: die Stellung wechseln, Waffen und Munition ersetzen – unterirdisch!
Susans Suche wurde immer nervöser,
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