Chocolat
Obst aufgespießt und in die Schokoladenmischung getaucht. Ich habe jedem Gast seine Lieblingssorte Kuchen mitgebracht, allerdings ist nur der gâteau de savoie zum Tunken gedacht. Caro erklärt, sie würde keinen Bissen mehr herunterbringen, nimmt aber dann doch zwei Stücke von der schwarzweißen Schokoladenbisquitrolle. Armande probiert von allem, ihre Wangen glühen, und sie wird immer aufgekratzter. Joséphine erklärt Blanche gerade, warum sie ihren Mann verlassen hat. Hinter vorgehaltener Hand und mit Schokolade an den Fingern grinst Georges mir lüstern zu. Luc zieht Anouk auf, die auf ihrem Stuhl beinahe einschläft.Der Hund beißt spielerisch in ein Tischbein. Zézette beginnt völlig unbefangen ihr Baby zu stillen. Caro scheint eine Bemerkung dazu machen zu wollen, zuckt jedoch dann die Achseln und verkneift es sich. Ich öffne noch eine Flasche Champagner.
»Geht es dir wirklich gut?« erkundigt Luc sich ruhig bei Armande. »Ich meine, ist dir wirklich nicht schlecht oder so? Du hast doch deine Medizin genommen, oder?«
Armande lacht.
»Du machst dir viel zu viele Gedanken für dein Alter«, sagt sie. »Du solltest mal Dampf machen und deine Mutter die Wände hochtreiben, anstatt einen alten Hund das Bellen lehren zu wollen.« Sie ist immer noch in Stimmung, wirkt aber mittlerweile leicht erschöpft. Wir sitzen schon seit fast vier Stunden am Tisch. Es ist zehn vor zwölf.
»Ich weiß«, erwidert er lächelnd. »Aber ich möchte noch nicht so bald mein Erbe antreten.« Sie tätschelt ihm die Hand und schenkt ihm noch ein Glas Champagner ein. Ihre Hand zittert ein wenig, und sie verschüttet etwas auf die Tischdecke.
»Keine Sorge«, sagt sie fröhlich. »Es ist noch genug da.«
Wir runden das Mahl ab mit Schokoladeneis, Trüffeln und Espresso in winzigen Tassen, dazu Calvados aus heißen Gläsern. Anouk verlangt ihren canard , einen Zuckerwürfel mit ein paar Tropfen Calvados, und dann noch einen für Pantoufle. Tassen und Teller sind schnell geleert. Die Holzkohlenfeuer sind fast heruntergebrannt. Ich beobachte Armande, die immer noch redet und lacht, wenn auch weniger aufgekratzt als zuvor. Ihre Augenlider sind schwer geworden, unter dem Tisch hält sie Lucs Hand.
»Wie spät ist es?« fragt sie kurz darauf.
»Fast eins«, sagt Guillaume.
Sie seufzt.
»Zeit für mich, ins Bett zu gehen«, verkündet sie. »Ich bin schließlich nicht mehr die Jüngste.« Sie erhebt sich mühsam und sammelt die Geschenke ein, die unter ihrem Stuhlliegen. Ich sehe, wie Guillaume sie aufmerksam beobachtet. Er weiß Bescheid. Sie wirft ihm einen seltsam liebevollen Blick zu.
»Glaubt ja nicht, ich würde jetzt eine Rede halten«, sagt sie gespielt schroff. »Ich kann Reden nicht ausstehen. Ich möchte euch nur allen danken – euch allen – und euch sagen, daß ich mich wunderbar amüsiert habe. Das war mein schönstes Geburtstagsfest. Die Leute meinen immer, man hat keinen Spaß mehr, wenn man alt wird. Aber das ist alles Quatsch.« Hochrufe von Roux, Georges und Zézette. Armande nickt weise. »Aber weckt mich morgen nicht zu früh«, sagt sie und verzieht das Gesicht. »Ich glaube, seit ich zwanzig war, hab ich nicht mehr so viel getrunken, und ich brauche meinen Schlaf.« Sie wirft mir einen kurzen Blick zu, fast wie eine Warnung. »Ich brauche meinen Schlaf«, wiederholt sie wie abwesend und macht sich auf den Weg ins Haus.
Caro stand auf, um sie zu stützen, aber Armande schüttelte sie unwirsch ab.
»Mach nicht so einen Zirkus, Mädel«, sagte sie. »Das ist schon immer deine Art gewesen. Dauernd meinst du, du müßtest mich bemuttern.« Sie schaute mich an. »Vianne kann mir helfen«, erklärte sie. »Ihr anderen könnt bis morgen warten.«
Ich brachte sie in ihr Zimmer, während die Gäste sich langsam auf den Heimweg machten, immer noch lachend und schwatzend. Caro hatte sich bei Georges eingehakt; Luc stützte sie auf der anderen Seite. Ihre Frisur hatte sich mittlerweile völlig aufgelöst, so daß sie jünger und weicher wirkte. Als ich die Tür zu Armandes Zimmer öffnete, hörte ich sie sagen:
»… regelrecht versprochen , daß sie in das Heim ziehen wird … ich bin ja so erleichtert …« Armande hörte es auch und kicherte in sich hinein.
»Es muß ein Kreuz sein, so eine aufmüpfige Mutter zu haben«, sagte sie. »Bringen Sie mich ins Bett, Vianne. Bevorich umfalle.« Ich half ihr beim Ausziehen. Auf dem Kopfkissen lag ein leinenes Nachthemd bereit. Ich faltete ihre Kleider zusammen,
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