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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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beiden anfangen, über Sie herzuziehen, wissen Sie, daß Sie es geschafft haben«, sagte sie keck. »Willkommen auf der anderen Seite!«
    Joséphine warf ihr einen mißtrauischen Blick zu. Dann, als sie merkte, daß der Scherz nicht gegen sie gerichtet war, lachte sie. Ein offenes, unbefangenes Lachen. Verblüfft fuhr sie mit der Hand an ihren Mund, wie um sich zu vergewissern, daß das Lachen von ihr stammte. Darüber mußte sie noch mehr lachen, und die anderen lachten mit ihr. Wir lachten immer noch, als die Türglocke läutete und Francis Reynaud den Laden betrat.
    » Monsieur le Curé !« Ich bemerkte die Veränderung in ihrem Gesicht, noch bevor ich ihn sah; ihre Miene wurde feindselig und verschlossen, ihre Fäuste drückten sich in alter Gewohnheit in ihre Magengrube.
    Reynaud nickte ernst.
    » Madame Muscat.« Das erste Wort sprach er mit besonderer Betonung aus. »Ich war bestürzt, Sie heute morgen nicht in der Kirche zu sehen.«
    Joséphine murmelte etwas Unverständliches. Als Reynaud auf die Theke zutrat, drehte sie sich halb um, wie um in die Küche zu flüchten, überlegte es sich jedoch anders und wandte sich ihm zu.
    »Gut so, meine Liebe«, sagte Armande anerkennend. »Lassen Sie sich von diesem Schwätzer bloß nicht einschüchtern.« Dann wandte sie sich an Reynaud und gestikulierte streng mit einem Stück Croissant. »Lassen Sie diese Frau in Frieden, Francis. Wenn überhaupt, sollten Sie ihr Ihren Segen geben.«
    Reynaud ignorierte sie.
    »Hören Sie, ma fille «, sagte er ernst. »Wir müssen miteinander reden.« Sein Blick wanderte verächtlich zu dem roten Säckchen, dem Glücksbringer, der über der Tür baumelte. »Aber nicht hier.«
    Joséphine schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, ich habe zu arbeiten. Und ich möchte mir nicht anhören, was Sie zu sagen haben.«
    Reynaud schob trotzig das Kinn vor.
    »Noch nie haben Sie die Kirche so dringend gebraucht wie jetzt.« Ein kurzer, kalter Blick in meine Richtung. »Sie sind schwach geworden. Sie haben es zugelassen, daß andere Sie auf Abwege leiten. Das Sakrament der Ehe –«
    Mit einem verächtlichen Aufschrei fiel Armande ihm erneut ins Wort.
    »Das Sakrament der Ehe? Wo haben Sie das denn ausgegraben? Ich hätte gedacht, daß ausgerechnet Sie –«
    »Bitte, Madame Voizin …« Endlich eine Spur von Emotion in seiner Stimme. Seine Augen waren frostig. »Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie –«
    »Reden Sie doch nicht so geschwollen«, fauchte Armande. »Ihre Mutter hat Ihnen nicht beigebracht zu sprechen, als hätten Sie eine Kartoffel im Mund, oder?« Sie kicherte in sich hinein. »Wir halten uns wohl für was Besseres, wie? Auf dieser vornehmen Schule haben wir ganz vergessen, wo wir herkommen, was?«
    Reynaud wurde stocksteif. Ich spürte deutlich seine Anspannung. Er hat in den letzten Wochen deutlich abgenommen, seine Haut spannt sich über seinen hohlen Schläfen wie die Membran eines Tamburins, die Bewegungen seines Unterkiefers sind unter dem mageren Fleisch gut zu verfolgen. Eine Haarsträhne, die ihm schräg in die Stirn hängt, läßt ihn auf trügerische Weise arglos wirken; der Rest ist schneidige Effizienz.
    »Joséphine.« Seine Stimme war sanft, beschwörend. Durch seinen Ton schloß er die anderen Anwesenden aus, als wäre er mit Joséphine allein. »Ich weiß, daß Sie meine Hilfe wünschen. Ich habe mit Paul-Marie gesprochen. Er sagt, Sie seien in letzter Zeit sehr unter Druck gewesen. Er sagt –«
    Joséphine schüttelte den Kopf.
    » Mon père .« Der ausdruckslose Blick in ihren Augenwar verschwunden, sie war ruhig und gelassen. »Ich weiß, daß Sie es gut meinen. Aber ich bleibe bei meinen Entschluß.«
    »Aber das Sakrament der Ehe –« Er war jetzt deutlich erregt, beugte sich vor, das Gesicht gramverzerrt. Seine Hände umklammerten die gepolsterte Theke. Noch ein verstohlener Blick in Richtung des roten Säckchens. »Ich weiß, Sie sind verwirrt. Sie haben sich von anderen beeinflussen lassen.« Dann, bedeutungsvoll: »Wenn wir doch nur unter vier Augen miteinander reden könnten –«
    »Nein«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Ich bleibe hier bei Vianne.«
    »Aber wie lange?« Er versucht, ungläubig zu klingen, doch ich höre das Entsetzen in seiner Stimme. »Madame Rocher mag zwar Ihre Freundin sein, aber sie ist eine Geschäftsfrau, sie muß ihren Laden führen, sich um ihr Kind kümmern. Wie lange wird sie eine Fremde in ihrem Haus dulden?« Das hatte gesessen. Ich sah, wie Joséphine

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