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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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zögerte, sah wieder die Unsicherheit in ihren Augen. Ich habe diesen Blick zu oft bei meiner Mutter gesehen, um mich zu täuschen, diesen Ausdruck des Zweifels, der Angst.
    Wir brauchen nur einander, und sonst niemanden . Ein eindringliches Flüstern in der schwülen Dunkelheit eines anonymen Hotelzimmers. Warum, zum Teufel, sollten wir die Hilfe von anderen in Anspruch nehmen? Tapfere Worte, und sollte sie Tränen vergossen haben, waren sie in der Dunkelheit nicht zu sehen. Doch ich spürte, wie sie fast unmerklich zitterte, während sie mich unter der Decke in den Armen hielt, als würde sie von Fieber geschüttelt. Vielleicht war das der Grund, warum sie vor ihnen davonlief, vor den freundlichen Männern und Frauen, die sich mit ihr anfreunden, sie lieben, sie verstehen wollten. Wir waren wie Aussätzige, von Mißtrauen getrieben; der Stolz, den wir vor uns hertrugen, die letzte Zuflucht der Ausgestoßenen.
    »Ich habe Joséphine angeboten, für mich zu arbeiten«, sagte ich freundlich, aber bestimmt. »Ich brauche dringendHilfe bei den Vorbereitungen für das Schokoladenfest an Ostern.«
    Sein Blick, endlich entlarvt, war voller Haß.
    »Ich werde sie in der Herstellung von Schokolade unterweisen«, fuhr ich fort. »Außerdem kann sie mich im Laden vertreten, wenn ich in der Küche zu tun habe.« Joséphine beobachtete mich mit erstaunten Augen. Ich zwinkerte ihr zu.
    »Sie tut mir einen Gefallen, und ich bin sicher, daß sie das Geld gut gebrauchen kann«, sagte ich ruhig. »Und was ihre Wohnsituation angeht …« Ich schaute ihr direkt in die Augen. »Joséphine, Sie können so lange bei mir wohnen, wie Sie wollen. Es ist uns ein Vergnügen, Sie bei uns zu haben.«
    Armande kicherte in sich hinein.
    »Sie sehen also, mon père «, sagte sie schadenfroh, »Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Es sieht so aus, als würde sich alles auch ohne Sie wunderbar fügen.« Sie nippte provozierend genüßlich an ihrer Schokolade. »So ein Täßchen Schokolade würde Ihnen auch guttun«, sagte sie. »Sie wirken ein bißchen spitz um die Nase, Francis. Haben Sie wieder am Meßwein genascht?«
    Er lächelte sie mit stechenden Augen an.
    »Sehr witzig, Madame. Wie schön, daß Sie Ihren Sinn für Humor noch nicht verloren haben.« Dann drehte er sich auf dem Absatz um, und mit einem pikierten » Monsieur-Dames « an die restlichen Kunden verließ er den Laden.
    Montag, 10. März
    Ihr Gelächter folgte mir bis auf die Straße wie ein Vogelschwarm. Mein Unmut und der Schokoladenduft machten mich schwindlig, ich fühlte mich beinahe euphorisch vor Wut. Wir haben die ganze Zeit recht gehabt, Vater. Damit hat sie uns vollkommen bestätigt. Indem sie die drei Bereiche angreift, die uns am wichtigsten sind – die Gemeinde, die kirchlichen Feiertage und nun das Sakrament der Ehe –, hat sie sich schließlich selbst entlarvt. Ihr Einfluß ist verderblich, und er wird immer größer, der Samen ist bereits in ein oder zwei Dutzend Köpfen auf fruchtbaren Boden gefallen. Heute morgen habe ich auf dem Friedhof den ersten Löwenzahn gesehen, der sich hinter einem Grabstein aus einer Ritze zwängte. Die Wurzel ist bereits fingerdick und hat sich so tief in den Boden gegraben, daß ich nicht mehr drankomme, wühlt sich in die Dunkelheit unter den Stein. In einer Woche wird die Pflanze wieder nachgewachsen und noch zäher sein als zuvor.
    Ich habe Muscat heute morgen bei der Kommunion gesehen, obwohl er vorher nicht gebeichtet hat. Er wirkt abgespannt und mürrisch, unbehaglich in seinem Sonntagsanzug. Es hat ihn sehr mitgenommen, daß seine Frau ihn verlassen hat.
    Als ich die chocolaterie verließ, stand er rauchend neben dem Hauptportal und wartete auf mich.
    »Nun, mon père ?«
    »Ich habe mit Ihrer Frau gesprochen.«
    »Wann kommt sie nach Hause?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich möchte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen«, sagte ich freundlich.
    »Diese sture Kuh«, sagte er, warf seinen Zigarettenstummel auf den Boden und zertrat ihn mit dem Absatz. »Verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, Vater, aber so ist es nunmal. Wenn ich mir überlege, was ich alles für diese Schlampe aufgegeben habe – das Geld , das sie mich gekostet hat –«
    »Sie hat es auch nicht leicht gehabt«, entgegnete ich mit einem bedeutungsvollen Blick, denn ich mußte an alles denken, worüber ich mit seiner Frau in all den Jahren im Beichtstuhl gesprochen habe.
    Muscat zuckte die Achseln.
    »Ich bin kein Engel«, sagte er. »Ich kenne meine Schwächen.

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