Chocolat
verblüfft an. Dann gewinnt seine Schläue die Oberhand, er fixiert mich mit seinem Blick, hält mir seine offenen Hände entgegen, um mir zu zeigen, daß er harmlos ist, eher verwirrt und amüsiert. Einen Augenblick lang wirkt er beinahe charmant. Dann tritt er einen Schritt näher an die Tür. Ich rieche seinen ranzigen Atem, der nach Bier und Rauch stinkt.
»Madame Rocher.« Seine Stimme klingt weich, beinahe bittend. »Ich möchte, daß Sie dieser fetten Kuh sagen, sie soll ihren Arsch bewegen und sofort rauskommen, sonst bekommt sie es mit mir zu tun. Und wenn Sie sich einbilden, Sie könnten sich mir in den Weg stellen, Sie Emanzenhexe –«
Er rüttelt an der Tür.
»Machen Sie die Kette los.« Er lächelt, versucht mir zu schmeicheln, während seine Wut wie ein übler Gestank aus ihm herausströmt. »Ich hab gesagt, Sie sollen die verdammte Kette losmachen, bevor ich die Tür eintrete!« Seine Stimme ist schrill vor Rage, sie klingt wie das Quieken eines wütenden Schweins.
Ich versuche, ihm in aller Ruhe die Situation zu erklären. Er flucht und kreischt seinen Frust heraus. Mehrmals tritt er gegen die Tür, so daß die Scharniere quietschen.
»Wenn Sie in mein Haus eindringen, Monsieur Muscat«, erkläre ich ihm ruhig, »bin ich gezwungen, Sie wie einen Einbrecher zu behandeln. In meiner Küche habe ich eine Dose Contre-Attaq ’, die ich immer bei mir trug, als ich in Paris lebte. Ich habe das Gas ein- oder zweimal ausprobiert. Es ist äußerst effektiv.«
Die Drohung läßt ihn innehalten. Wahrscheinlich glaubt er, er sei der einzige, der das Recht hat, Drohungen auszusprechen.
»Sie verstehen das nicht«, jammert er. »Sie ist doch meine Frau. Ich liebe sie. Ich weiß nicht, was sie Ihnen erzählt hat, aber –«
»Was sie mir erzählt hat, spielt keine Rolle, Monsieur. Sie allein trifft die Entscheidung. Wenn ich Sie wäre, würde ich aufhören, mich lächerlich zu machen, und nach Hause gehen.«
»Sie können mich mal!« Sein Gesicht ist so dicht an der Tür, daß seine Spucke mich trifft wie heiße, eklige Schrotkugeln. »Das habe ich Ihnen zu verdanken, Sie Schlampe. Sie haben ihr diese Flausen von Emanzipation und all dem Scheiß in den Kopf gesetzt.« Er ahmt Joséphines Stimme mit einem wütenden Falsett nach. »Dauernd heißt es Vianne sagt dies, Vianne sagt das . Lassen Sie mich nur eine Minute mit ihr reden, dann werden wir ja sehen, was sie selbst dazu zu sagen hat.«
»Ich glaube kaum, daß –«
»Ist schon gut.« Joséphine ist lautlos hinter mich getreten, eine Tasse Schokolade in beiden Händen, als wollte sie sich wärmen. »Ich muß mit ihm reden, sonst verschwindet er nie.«
Ich schaue sie an. Sie ist ruhiger geworden, ihr Blick klar. Ich nicke.
»In Ordnung.«
Ich trete zur Seite, und Joséphine geht an die Tür. Muscat beginnt zu reden, doch sie fällt ihm ins Wort, ihre Stimme überraschend scharf und ruhig.
»Paul. Hör mir zu.«
Ihr Ton bringt ihn mitten im Satz zum Schweigen.
»Geh. Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Kapiert?«
Sie zittert am ganzen Leib, aber ihre Stimme klingt gefaßt. Ich bin plötzlich richtig stolz auf sie und drücke ihr ermutigend den Arm. Einen Augenblick lang schweigt Muscat. Dann verlegt er sich wieder aufs Schmeicheln, doch ich höre die Wut in seiner Stimme wie das Rauschen in einem von weit her kommenden Funksignal.
»José –«, sagt er sanft. »Das ist doch alles Blödsinn. Komm mit, dann können wir in Ruhe über alles reden. Du bist meine Frau , José. Hab ich nicht wenigstens eine letzte Chance verdient?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Zu spät, Paul«, sagt sie in einem Ton, der Endgültigkeit ausdrückt. »Tut mir leid.«
Dann machte sie ganz langsam, ganz bestimmt die Tür zu, und obwohl er noch minutenlang dagegenhämmerte, abwechselnd fluchte, lockte, drohte und schließlich, als er anfing, an seine eigene Version der Realität zu glauben, rührselig wurde und weinte, machten wir nicht wieder auf.
Gegen Mitternacht hörte ich ihn vor dem Haus brüllen, dann flog ein Erdklumpen gegen das Fenster, der eine schmierige Lehmspur auf der Scheibe hinterließ. Ich stand auf, um nachzusehen, was sich da draußen abspielte, und sah Muscat wie einen vierschrötigen, bösen Kobold mitten auf dem Dorfplatz stehen, die Hände tief in den Hosentaschen, so daß ich seinen Bauch sehen konnte, der ihm über den Gürtel hing. Er wirkte betrunken.
»Ihr könnt nicht ewig da drin bleiben!« Seine Stimme klang gehässig und schrill. Ich
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