Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Jean-Claude Forgeras gestoßen, der zum General Py mutiert war.
    Nach vierzig Jahren war ihm der Mistkerl endlich wieder über den Weg gelaufen.
    Dieser Zufall bekräftigte seine innerste Überzeugung. Eine Gewissheit, die sich in ihm immer mehr gefestigt hatte, seit er Götz’ Leiche in der Kathedrale Saint-Jean-Baptiste entdeckt hatte. Diese Ermittlungen waren viel bedeutsamer als sein letzter Fall. Sie waren ein Abschluss. Ein Neuanfang. Eine Gelegenheit, alle offenen Rechnungen zu begleichen.
    Bei Balsièges fuhr er auf die N106 und kam in eine Mittelgebirgslandschaft, wo die Tannen und die Wiesen noch karger zu sein schienen. Er kam weder an Steilhängen noch an Felswänden vorbei. Dafür sah er langgestreckte, deutlich abgegrenzte Senken, in denen heftige Windböen tosten. Weit und breit kein Mensch, nicht einmal ein Schaf. Im Winter blieben die Tiere in ihren Ställen. Er fuhr weiter bergauf. Überquerte den Montmirat-Pass. Ein Atmosphäre trostloser Ödnis.
    Endlich kam Florac in Sicht. Eine gut erhaltene mittelalterliche Stadt an einem Fluss, umgeben von einer kargen Landschaft. Kasdan fragte sich, ob die Einwohner der Stadt das Konzert der Kolonie besuchen würden.
    Der Armenier kam an einer Handvoll junger Leute vorbei, die mit ihren Fahrrädern und Mofas um eine Bank herumlungerten. Er fragte sie nach dem Weg. Die erste Reaktion der Jungen war ein Pfeifen, das audrückte: »Da haben Sie noch ein ganze Stück vor sich.« Dann folgten die genaueren Angaben. Um nach Arro zu gelangen, müsse er Richtung Süden weiterfahren, auf die D907, und dann nach zehn Kilometern rechts abbiegen.
    »Ist da ein Schild?«
    »Nein, M’sieur. Das ist auch keine richtige Straße mehr, sondern ein Feldweg, der den Causse durchquert. Zählen Sie die Kilometer, damit Sie wissen, wo Sie abbiegen müssen.«
    »Ist es dann noch weit bis Arro?«
    »Etwa fünfzehn Kilometer.«
    »Ist es ein großes Dorf?«
    Die Jungen lachten hellauf.
    »Zehn Hütten, wenn’s hochkommt. Lauter alte Hippies. Halten Ziegen und stellen Käse her. Aber passen Sie auf, die sind nicht besonders umgänglich.«
    Einer der Halbwüchsigen, der sich auf einen Lenker stützte, meinte gar:
    »Die werden Sie mit Schüssen empfangen!«
    Kasdan bedankte sich bei den Jungs. Er legte den ersten Gang ein und sagte sich, dass die Zeit allmählich knapp wurde. 14.00 Uhr. Ihm blieb nur noch eine Stunde, um nicht nur Arro, sondern auch die Kolonie zu finden.
    Er kam an einem Schild vorbei, das die Fahrer darauf hinwies, dass auf den nächsten hundert Kilometern keine Tankstelle komme. Das hatte er noch nie gesehen. Ein Blick auf die Benzinuhr sagte ihm, dass das Benzin für die Hin- und Rückfahrt reichen musste, sofern er sich nicht verfuhr …
    Einige Kilometer weiter erblickte der Armenier die Landschaft, die er erwartete, seit er von der Autobahn abgefahren war. Ein riesiges Kalksteinplateau in einer Höhe von tausend Metern, eingerahmt von niedrigen Bergen, die sich am Horizont als lange, flache Kurvenlinien abzeichnen. Der Causse Méjean. Noch immer kein Schnee, aber eine gestochen scharfe, eisige Atmosphäre. Stellenweise wogten mit vergilbtem Gras bewachsene Weiden im Wind, dann wieder sah man flache, dichte Grasflächen, die an ein Golf-Green erinnerten. Die schieren Ausmaße der Landschaft konnten einen erschrecken. Aber Kasdan empfand das genaue Gegenteil. Die regelmäßigen Linien, die sanften Silhouetten der Berge am Horizont weckten in ihm ein Gefühl von Harmonie und Opulenz. In diesem gelben und grünen Meer, das er auf dem Asphaltband durchfuhr, fühlte er sich wohl.
    Kasdan hatte seinen Kilometerzähler auf null gestellt. Nach zehn Kilometern entdeckte er auf der rechten Seite einen Feldweg und bog in ihn ein. Die Ähnlichkeit mit den mongolischen Steppen oder den Wüsten Utahs war verblüffend. Er staunte darüber, dass es in Frankreich eine solche Landschaft gab. Keine Spuren menschlicher Zivilisation. Kein Hochspannungsmast, kein bestelltes Feld. Je weiter man in diese Ebenen vordrang, umso tiefer kehrte man zurück in die Vergangenheit.
    Der Armenier fuhr mittlerweile im Schneckentempo, in einer wirbelnden Staubwolke, die seine Geschwindigkeit und seine Sicht beschränkte. Er begegnete keinem anderen Fahrzeug. Besuchte denn außer ihm niemand das Konzert? Oder befand er sich auf dem falschen Weg? Er erspähte nur Raubvögel am Himmel, vielleicht waren es Geier …
    Kasdan fuhr weiter. Er erinnerte sich wieder an die Worte von Milosz. Die Reinheit

Weitere Kostenlose Bücher