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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sogar überbieten. Wie Charles Pasqua sagte: ›Wir müssen die Terroristen terrorisieren.‹«
    »Das ist eine Sicht der Dinge.«
    Der General lächelte gelassen.
    »Wohl eher die Frucht einer langen Erfahrung. Die Hauptwaffe der Terroristen ist die Verschwiegenheit. Einige Männer konnten zwei gigantische Wolkenkratzer zerstören, Tausende von Menschen töten und, allein mit dieser Waffe, das mächtigste Land der Erde demütigen. Die Geheimhaltung. Es gibt nur ein Erfolg versprechendes Mittel gegen diese Aggressoren: Man muss ihr Schweigen brechen. Doch trotz unserer Forschungen wissen wir noch immer nicht, wie wir auf chemischem Wege den Willen der Häftlinge brechen können. Da bleiben nur die physischen Mittel, die niemandem gefallen, sich jedoch bewährt haben.«
    »All das«, entgegnete Kasdan, »ist bloße Phrasendrescherei. Sie zeigt bloß, dass Sie nicht besser sind als diejenigen, die Sie verfolgen.«
    »Wer hat gesagt, dass wir besser wären? Wir sind Männer im Kampf. Auf beiden Seiten.«
    Volokine dachte an Algerien. Und vor allem an die Schlacht um Algier. Im Jahr 1957 war es General Massu und seinen Truppen innerhalb weniger Monate gelungen, den politisch-militärischen Apparat der FLN zu zerschlagen. Ihre Waffen: Entführung, Freiheitsberaubung, Hinrichtung. Und vor allem: systematische Folterungen. Es stand außer Frage, dass die Politik des Schreckens erfolgreich gewesen war.
    Py ging weiter. Die Atemwölkchen, die seinen Lippen entwichen, harmonierten mit seinen weißen Strähnen, die im Wind wehten.
    »In diesem Sinne sind die Vereinigten Staaten nicht so scheinheilig wie wir. Ihre Gesetzgeber beginnen die Notwendigkeit der Folter einzusehen. Aber es wird immer die Apostel des guten Gewissens geben. Das riesige Heer derer, die nichts tun, aber immer urteilen. Ohne die geringste Lösung anzubieten. Aus diesem Grund brauchen wir heute diese geheimen Verhörzentren dringender denn je.«
    »Sprechen Sie von Orten wie Guantánamo?«
    »Nein, Guantánamo ist das Gegenteil eines Black Site . Ein offizielles Gefangenenlager. Sehr auffällig. Ein wiederkehrendes Thema in den Fernsehnachrichten. Ich kann Ihnen versichern, dass die wirklich wichtigen Gefangenen an anderen Orten verhört werden.«
    »Wo?«
    »In Polen. In Rumänien. Die Vereinigten Staaten haben Abkommen mit diesen Ländern geschlossen. Man schanzt ihnen irgendwelche Gelände zu, wo keine Gesetze mehr gelten, außer dem der Effektivität. So hat die CIA Gefangenenlager errichtet, wo man Zielpersonen ›von großer Bedeutung‹ verhört. Verdächtige wie Khaled Cheikh Mohammed, den Kopf hinter den Anschlägen vom 11. September, der in Pakistan gefasst wurde.«
    Trotz seines Alters schien Py über die aktuellen Vorgänge auf dem Laufenden zu sein. Dennoch glaubte Volokine nicht an diese Gerüchte über geheime Stützpunkte und heimliche Verhöre.
    »Ihre Geschichten klingen eindrucksvoll, aber wenig wahrscheinlich«, wandte er ein. »Schließlich gibt es Gesetze, Vorschriften, Abkommen.«
    »Gewiss. Aber wer steht hinter dem System? Männer, die Angst haben. Ich kann Ihnen versichern, dass Nato-Staaten diese Stützpunkte bereitstellen. Polen gehört der Nato an und Rumänien ebenso. Es wurden Geheimabkommen unterzeichnet, Überfluggenehmigungen für diese Gebiete erteilt, mit der Erlaubnis, auf Luftwaffenstützpunkten zu landen und in deren Nähe die Arbeit zu verrichten. Die Länder haben zugesichert, sich nicht einzumischen. An diesen Standorten gilt weder polnisches noch rumänisches noch amerikanisches Recht. Es sind rechtsfreie Räume, extraterritoriale Gebiete.«
    Kasdan unterbrach ihn:
    »Wollen Sie uns erzählen, dass die Kolonie Asunción ein Black Site ist?«
    »Ja, die Kolonie funktioniert nach dem gleichen Grundsatz. Ein extraterritoriales Gebiet, ein rechtsfreier Raum, wo alles erlaubt ist.«
    »Frankreich hat keine Probleme mit dem Terrorismus, zumindest nicht in dem Maße wie die Amerikaner.«
    »Aus diesem Grund ist die Kolonie eine schlafende Zelle. Ein Labor, das einstweilen nicht benutzt wird. Wir wollen nicht wissen, was dort geschieht. Nur von einer Sache sind wir überzeugt: Die Forschung macht Fortschritte. Wenn der Zeitpunkt kommt, können wir das Wissen der Kolonie Asunción nutzen. Ihre Erfahrungen.«
    »Ihr Zynismus ist grauenhaft.«
    »Immer das gleiche Problem«, meinte Py lächelnd. »Die Arbeit soll erledigt werden, aber man will weder wissen wo noch wie.«
    »Sie sprechen von Forschungen«, fuhr Kasdan fort.

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