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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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»Wissen Sie, woran genau die Führer der Gemeinschaft arbeiten?«
    »Nein, sie beherrschen eine Vielzahl von Techniken.«
    Volokine mischte sich ein:
    »Stützt sich eines dieser Verfahren auf die menschliche Stimme?«
    »Ja, ein Protokoll betrifft die Lauterzeugung, aber wir wissen nichts Genaueres. Früher einmal glaubten wir, Hartmann hätte eine Art Stimm-Decoder entwickelt. Ein Gerät, mit dessen Hilfe man Schreien und geringfügigen Veränderungen der Stimme wichtige Erkenntnisse entnehmen kann. Wir hatten unrecht. Die Forschungen Hartmanns beziehen sich auf eine andere Dimension des Stimmapparats. Etwas Gefährlicheres, wie ich glaube. Etwas, was jenseits des Schmerzes angesiedelt ist …«
    »Wenn Sie von Hartmann sprechen, meinen Sie dann den Vater oder den Sohn?«
    »Natürlich den Sohn. Der Vater ist vor der Übersiedlung der Comunidad in Chile gestorben. Aber dieser Tod hat die Entwicklung der Kolonie nicht beeinträchtigt. Der Geist Hartmanns …«
    »… hat Schule gemacht«, ergänzte Kasdan. »Das hat man uns schon mitgeteilt. Wie alt ist der Sohn heute?«
    »Wohl in den Fünfzigern. Aber sein Alter und seine tatsächliche Identität sind unbekannt. Bruno Hartmann hat die Lektion verstanden. In seiner Jugend hat er miterlebt, wie sein Vater verfolgt, von Klagen und Durchsuchungen bedroht war. Er hat begriffen, dass ein Anführer, der identifiziert wurde, zu einer Schwäche für seine Gemeinschaft werden kann. Also hat er das Problem geregelt. Niemand in Frankreich kann sich rühmen, jemals sein Gesicht gesehen zu haben. Und wenn sich eines Tages irgendein Verein die Kolonie Asunción vorknöpfen würde, dann gäbe es keinen Verantwortlichen, auf den man sich stürzen könnte.«
    Volokine bohrte nach:
    »Glauben Sie, dass sich Hartmann im Causse versteckt oder dass er irgendwo anders lebt?«
    »Ich weiß es nicht. Niemand weiß es.«
    »Ich habe der Kolonie Asunción einen Besuch abgestattet«, fuhr Kasdan fort. »Dort bin ich einem Arzt namens Wahl-Duvshani begegnet. Kennen Sie ihn?«
    »Ja, er ist einer der geistigen Köpfe der Kolonie.«
    »Ist das sein richtiger Name?«
    »Wissen Sie, mit den Namen ist es …«
    »Wie viele von diesen Typen gibt es dort?«
    »Etwa zwölf, glaube ich.«
    »Führen sie die Forschungen durch?«
    »Wir wissen nicht, wie die Gruppe organisiert ist. Es muss eine Art Vorstand, ein Zentralkomitee geben. Aber auch diese Männer sind Hartmann unterstellt.«
    »Und was für eine Verbindung haben Sie zur Kolonie?«, fuhr Volokine fort.
    »Ich habe in ihrer Gemeinschaft gelebt, als sie noch in Chile ansässig waren. Ich habe ihnen bei der Ansiedlung in Frankreich geholfen. Jetzt stehen sie unter meiner Obhut.«
    »Ich dachte, La Bruyère hätte diese Chilenen nach Frankreich geholt …«
    »Dieser alte La Bruyère … Er hat sich um die Überstellung einiger Leute gekümmert. Aber das, was dann folgte, war für ihn eine Nummer zu groß – der Aufbau eines zweiten Freistaats Bayern. «
    Kasdan schien immer nervöser zu werden:
    »Wir suchen eine Bresche, um in die Kolonie zu gelangen.«
    »Vergessen Sie es. Niemand kommt da rein, weder auf legalem noch auf illegalem Wege. Wir haben diese kleine Welt abgeriegelt, in beide Richtungen: Man kommt weder rein noch raus.«
    »Weshalb erzählen Sie uns das so ohne weiteres?«, fragte Volokine.
    »Diese Informationen sind für jedermann zugänglich. Im Internet. In Presseartikeln. Auf den Korridoren der Ministerien. Aber niemand kann etwas damit anfangen. Und niemand glaubt daran. Das ist sogar das Prinzip der Kolonie. Den Blicken aller Leute ausgesetzt, aber zugleich unsichtbar sein. Ich kann Ihnen das Räderwerk der Maschine beschreiben, aber die Maschine als solche wird sich Ihnen immer entziehen. Rechtlich gesehen, existiert die Maschine nicht. Und die Maschine übersteigt die Vorstellungskraft.«
    Die Männer schwiegen, während die Gänse leise schnatterten. Py stieg die Böschung hinauf und musterte Kasdan aufmerksamer. Der grüne Teppich auf dem Teich schien hinter seinen Schultern zu schweben.
    »Es ist seltsam …«, sagte er leise. »Ich hab den Eindruck, dich zu kennen.«
    Kasdan fuhr zusammen, als er geduzt wurde. Er war grau, doch jetzt wurde er aschfahl.
    »Ja … Ich kenne dich.«
    »Bestimmt nicht«, murmelte der Armenier mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich würde mich an so einen Mistkerl wie dich erinnern.«
    »Warst du beim Militär, bevor du Polizist geworden bist?«
    »Nein.« Kasdan fuhr sich mit der Hand

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