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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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möchte am liebsten antworten: Noch immer dort, wo wir damals auch schon waren.
    Ben Becker war zu dieser Zeit auch oft Gast im Dschungel, der Sander-Stiefjunge. Auch Otto Sander hing da ab, manchmal auch unter dem Tisch zu finden. Anders Gode: Der stand jahrelang mit Schlips und Kragen bei der Kasse am Eingang des Dschungel. Er war Einlasser und Conférencier in Personalunion. Und ein Kumpel von Ben. Gode hieß eigentlich Detlef – nicht zu verwechseln mit meinem Teeniefreund vom Bahnhof Zoo. Aber eines Tages saßen Gode und Ben in ihren Punker-Outfits in der Kneipe, und Ben sagte: „Detlef, das ist kein Name für einen Punk.“ Ben schnappte sich ein Musikmagazin, das da herumlag, blätterte und legte den Finger wahllos auf einen Text. Dort stand der Name irgendeines Skandinaviers namens Gode. Und Ben: „So, jetzt heißt du Gode!“
    Im Dschungel habe ich mich zunächst nicht an Gode rangetraut, weil ich dachte: Der ist eine Nummer zu groß für mich. Gode trug mit Vorliebe Sachen von Vivienne Westwood und flog mit seinen Jungs ständig nach London, um sich ihre neuesten Kollektionen anzusehen. Sie waren alle immer so modisch drauf und so furchtbar cool, Gode war auch DJ und Mitglied in einer Band.
    Irgendwann schrieb ich ihm einen Brief, so lernten wir uns kennen. Zwei, drei Mal die Woche haben wir uns geschrieben, zehn Monate lang, kein Brief war kürzer als sechs Seiten. Seine Freunde waren davon nicht begeistert, auch die Familie Sander nicht.
    Dadurch, dass Ben und Gode so unzertrennlich waren, sah Gode in Otto Sander wohl so etwas wie seinen Ziehvater. Und wir waren oft im Haus dieser Schauspielerdynastie. Bei den Sanders stand die Gastfreundschaft wohl über der Sympathie: Denn ich glaube, weder Monika, Bens Mutter, noch seine Schwester Meret mochten mich besonders. Ich war damals sicher, dass Meret für Gode schwärmte. Aber sie ist sieben Jahre jünger und war für ihn wie eine kleine Schwester. Dafür gab Meret Jahre später einem Mann das Jawort, dessen erste Freundin ich gewesen war: Alexander Hacke, Gitarrist und Bassist der Einstürzenden Neubauten.
    Mit Gode und den anderen machten auch die Jungs von Depeche Mode das Nachtleben unsicher. Die wohnten damals in Berlin und hingen meist im Damaschke Nachtclub ab, dem DMC, einem Laden, der aussah wie ein zu groß geratenes Klo. Alles war gekachelt. Aber man traf sich halt dort.
    Dann waren da noch der Musiker und Avantgarde-DJ Fetisch. Und seine Schwester. Die beiden waren Vollwaisen, wenn ich mich richtig entsinne, sie mussten erleben, wovor sich jedes Kind fürchtet.
     Sie haben einiges mitgemacht. Aber als Geschwister hielten sie immer zusammen.
    Bei ihr, deren Namen ich inzwischen vergessen habe, hatte ich immer Angst, dass sie sich Gode schnappt. Sie war ein tolles Mädchen mit dicken, dunklen Haaren und geradeheraus. Weil das Leben nicht nett zu ihr war, hat sie sich genommen, was ihr zustand, aber eben auf eine ehrliche und offene Art.
    Zu guter Letzt gab es noch diesen Plez in der Clique und dessen Band Hong Kong Syndikat. Angeblich brauchten die einen vorzeigbaren Gitarristen – und vor allem wohl einen Vorwand, um Gode von mir zu trennen. Warum, weiß ich nicht, sie sahen wohl ihr Image durch mich gefährdet. Sie beriefen Gode dann ständig zu irgendwelchen Bandauftritten ein. So eben auch, als wir zusammen nach Griechenland gereist waren.
    Warum wir uns Griechenland ausgesucht hatten, weiß ich gar nicht mehr. Auf jeden Fall waren wir mit viel zu viel Gepäck unterwegs, weil ich noch nie einen Strandurlaub gemacht hatte. Ich wusste nicht, was ich am Strand brauchen oder nicht brauchen würde. Und so hatten wir drei Koffer für drei Wochen dabei. Mit High Heels, Schminke und Schmuck, lauter überflüssigem Zeug. Nichts davon konnte ich gebrauchen.
    Die ersten drei Tage sowieso nicht. Im Flieger hatte ich kein Heroin mitschmuggeln wollen, und so habe ich in Griechenland erst einmal einen richtig schlimmen Entzug geschoben. Ich habe nur gekotzt und geschissen, schlafen war unmöglich.
    In diesen Entzugsnächten ist mir Griechenland schrecklich unter die Haut gegangen. Ich lag da in meinem Schweiß und schmiss mich vor Schmerz in dem quietschenden Metallbett einer kleinen Pension auf Paros von einer Seite auf die andere. Es gab keinen Fernseher, und die Schwüle machte mich fertig. Jede Nacht musste ich mir das Gekrähe der Hähne und die Schreie der Maultiere anhören. Ohne einen Bezug zu irgendwas, in einem völlig fremden Land, und dann

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