Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
sie stritten sich ständig. Es war ein Kräftemessen, und Maria genoss es, Panagiotis zu provozieren und seine Männlichkeit zu testen.
Er war anders als Christos ein Macher, einer, der bestimmen wollte, wo es langgeht. Ein echter Balkanese eben. Maria fand das toll, und irgendwann wurde mir klar: Was sich liebt, das neckt sich.
Im Nachhinein denke ich, dass ich gegen Maria nie eine Chance hatte. Schlichtweg, weil sie Griechin ist. Und weil sie einfach besser damit umgehen konnte, ja, es sogar brauchte, dass die Männer das Sagen haben – selbst wenn sie im Gefängnis sind. Dass sich alles um sie und um ihre Ehre dreht.
Erst im Rückblick wurde mir klar, wie ich von Jahr zu Jahr weniger durfte. Langsam aber sicher. Irgendwann fand ich mich an Tischen wieder, an denen nur Frauen saßen, damit die Männer unter sich sein konnten. Und irgendwann fing es an, dass Panagiotis mit mir schimpfte: „Du hast doch schon ein Glas Wein getrunken, es reicht jetzt!“
Ich habe mehr und mehr an mir und meinen Entscheidungen gezweifelt und immer mehr Angst bekommen zu verlieren, was ich liebte. Und gleichzeitig geißelte ich mich, weil ich so ängstlich war. Ich wurde klettig und abhängig von Panagiotis, aber ich wusste auch, dass eine Frau, die ständig wehleidig an der Hose ihres Mannes hängt, wenig attraktiv ist.
Als Christos zwei Monate später aus dem Gefängnis kam, spürte er die Spannungen sofort. Aber zunächst einmal versuchten wir, da weiterzumachen, wo wir aufgehört hatten. Panagiotis und ich hielten an der Idee mit dem Tattooladen fest. Doch es war nichts wie vorher. Die Zweifel bohrten in mir, ich malte mir aus, wie Maria hinter der Kasse in unserem Tattooladen sitzt und es, wenn ich nicht da bin, mit ihm treibt.
Wir waren jetzt fast sieben Jahre lang eine Familie, und das bedeutete inzwischen, dass alles für alle da war. Auch mein Geld. Ich musste den Laden finanzieren, von dem dann alle leben würden.
Als ich ging, als ich meine Sachen packte und Griechenland verließ, hielt mich niemand auf.
Zu oft schon hatten wir gestritten, zu oft hatte ich erklärt, alles beenden zu wollen, und zu oft war ich wieder zurückgekommen. Ich reiste fast ein Dutzend Mal aus, bis ich schließlich wirklich fortblieb. In Berlin-Neukölln hatte ich vor meiner Griechenlandzeit eine Eigentumswohnung gekauft. Dahin ging ich zurück und versuchte wieder einen Entzug.
Denn vielleicht waren Panagiotis und ich auch an den Drogen gescheitert. Er brauchte nichts zu sagen, schon als ich ihm das erste Mal in die Augen sah, wusste ich: Er war ein Junkie. Es ist wohl so, dass Junkies sich gegenseitig irgendwie anziehen. Vielleicht weil wir in einer Welt leben, die sonst niemand versteht, oder weil wir die Welt der anderen nicht verstehen. Oder beides.
Als Panagiotis sich den Hippies angeschlossen hatte, um dem Dorf an der albanischen Grenze zu entfliehen, hatte er auch deren Drogen probiert – auch das verdammte Heroin.
Ich hatte mich nach den harten Entzugsnächten anfangs in Griechenland wahnsinnig stark gefühlt und war mir sicher gewesen, dass ich Panagiotis dabei helfen könnte, die Finger von dem Teufelszeug zu lassen. Aber natürlich kam es anders.
Der Kampf mit der Droge stand immer zwischen uns, und irgendwann gab ich nach, wir kamen uns dann noch näher. Sechs Jahre lang versuchten wir vier, uns gegenseitig zu helfen, doch egal, wie oft wir auch gemeinsam entzogen, und egal, wohin wir dann auch gingen, um dem Kreislauf zu entkommen, in den wir immer wieder so schnell gerieten: Die Drogen holten uns immer wieder ein – oft gleich kiloweise und sehr günstig aus der nahen Türkei.
Als ich Ende 1993 endgültig zurück nach Berlin reiste, weil ich diesen Psychokrieg gegen die Drogen und gegen Maria nicht mehr aushielt, glaubte ich fest, dass ich mit den griechischen Inseln endlich auch meine Vergangenheit zurücklassen würde.
Dort hatte ich aufgehört, mich weiter nur mit dem Christiane-F.-Ding zu beschäftigen.
Ich war überzeugt, dass ich ohne Panagiotis, Christos und Maria nicht mehr rückfällig werden würde. Doch das schwärzeste Kapitel meines Lebens stand mir damals noch bevor.
Verdammt
2
F ibrose. Ich bin eine Stufe vor Zirrhose. Meine Leber ist seit 1989 permanent entzündet, das kommt von der Hepatitis C, ich weiß gar nicht, woher und seit wann genau ich die habe. Das permanente Schwitzen ist unerträglich, ständig bin ich pitschnass, auch bei minus zehn Grad. Und im Sommer kann ich keine kurzärmligen
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