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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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Maria waren mit uns unterwegs. Beide wunderschöne Menschen, die überall als Inder durchgegangen sind. Maria schminkte sich mit indischem Henna, mit Steinen und diesem ganzen Krempel. Christos war in meinem Alter, sie noch ein Jahr jünger.
    Wir haben Englisch miteinander gesprochen, aber es war unser eigenes Englisch, das hätte kein Engländer verstanden. Ein bisschen Deutsch, Griechisch und Latein war mit dabei, weil manche englischen Begriffe einfach zu Missverständnissen führten. Zum Beispiel das Wort „ants“, Englisch für Ameisen. „Ant, and. And so what?“ War nun „ant“ oder „and“ gemeint? Also hießen die Insekten bei uns Formica, das ist Latein für Ameise.
    In den kälteren Monaten waren wir auf Kreta. Wenn ein Haus leer stand und uns gefiel, zogen wir einfach ein. Irgendwann kamen die Besitzer: Was wir da zu suchen hätten?
    Wir erklärten dann, dass wir Rast und Ruhe bräuchten, und fragten nach dem Preis. Schließlich einigten wir uns meist auf eine Miete, die umgerechnet bei etwa 50   Mark pro Monat lag, dann zogen die Hausherren mit ihren Mulis wieder ab, alte Bauern, die in den Ort runtergezogen und nur froh waren, dass sich jemand um ihr Haus kümmerte.
    Jeden Sommer reisten wir von Insel zu Insel, und Panagiotis ging, wie er es seiner Mutter versprochen hatte, auch immer wieder für ein paar Wochen zurück nach Hause. Das waren für mich die schönsten Zeiten, wenn ich das alles dort sehen und erleben durfte. Panagiotis’ Familie war die Einzige in der Nachbarschaft, die noch nicht in Deutschland gewesen war.
    Die Nachbarn kamen oft zu uns rüber, um sich an ihre Zeit als Gastarbeiter zu erinnern und um ihre Deutschkenntnisse wieder aufzufrischen. Sie haben sich einfach gefreut, dass ich Erinnerungen weckte, und ich war glücklich, dass ich so willkommen war. Tagsüber kümmerte ich mich ganz normal mit um den Bauernhof. Wir haben gemolken, ausgemistet, gefüttert und auch geschlachtet. Es war eine tolle Zeit, ich habe wahnsinnig viel gelernt.
    Wenn Panagiotis am Meer stand und aufs Wasser blickte, konnte man an seinen Hüften und dem geraden Rücken erkennen, dass er als Baby bandagiert worden war. Als Säuglinge waren beide Jungs gebunden worden, so haben das die Orthodoxen damals gemacht. Ich finde das schrecklich, weil sich die Babys gar nicht mehr bewegen können, aber damals war es eben so Sitte. Und die Quälerei hat sich ausgezahlt: Panagiotis hatte einen tollen Körper, wie ein Gladiator.
    Durch ihn lernte ich, mich auch in meinem Körper wohlzufühlen, den ich zuvor so viele Jahre mit Drogen und Magersucht geschunden hatte.
    Ich war damals eine kleine Idiotin, mit meinen 25   Jahren. Der Grieche hat mich zur Frau gemacht. Er hat mir so viel beigebracht, ich fühlte mich durch ihn und mit ihm unglaublich frei, einfach so, wie ich war.
    Einmal hat er auf einer Reise tatsächlich mein Buch entdeckt. Da waren wir noch nicht lange zusammen, und er hatte keine Vorstellung, wer ich war. Er las den Klappentext, sah das Bild von mir als 15-Jährige hinten auf dem Band, das machte ihn neugierig, so kaufte er es – und legte es in seinen Rucksack, der oben etwas offen stand. Denn er wollte erst einmal am Strand schlafen und dann arbeiten: Von den Hippies hatte Panagiotis gelernt, wie man mit Henna tätowiert, wobei er auf Wunsch auch richtige, permanente Tattoos mit Tinte unter die Haut malte. Als er nach ein paar Stunden kaum Kundschaft gefunden und das Warten satt hatte, packte er zusammen.
    Aber das Buch war weg. Als er sich umsah, entdeckte er die Reste der Blätter noch im Maul einer Kuh. Es war so absurd, dass dieses Tier inmitten all der Bäume und Sträucher ausgerechnet mein Buch fraß. Aber es sollte wohl so sein. Als er mir davon erzählte, denn ich war nicht dabei gewesen, dachte ich mir: Okay, es ist offenbar vollkommen unwichtig, wer ich bin. Das hat schon seinen Sinn. Nur, was im Moment ist, zählt.
    Das hatte ich so noch nie erlebt: Beim Sex mit ihm hatte ich immer einen Orgasmus. Mit einer unglaublichen Ausdauer und der richtigen Mischung aus Aggressivität und Feingefühl liebkoste er meinen Körper überall. Dass er mich so schamlos und intensiv liebte, machte es mir einfacher, mich selbst zu lieben.
    Durch den Griechen wurde ich wieder schwanger. Aber da waren wir einfach noch nicht lang genug zusammen. Er sagte, er würde sich das zutrauen, aber nun war ich diejenige, die einen Rückzieher machte, weil ich gar nicht wusste, was daraus werden sollte. Kann ich

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