Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
Vom Netzwerk:
Gepolter zu hören.
    Vielleicht war und ist all das für Phillip nur ein großes Abenteuer. Aber selbst wenn er es spielerisch nehmen kann, dann finde ich das nur noch besser. Das ist eine große Stärke. Alles ist mir recht, nur nicht, dass er mich für bescheuert hält. Das könnte ich nicht ertragen.
    Inzwischen vermute ich, dass sie nachts Wachablösungen durchziehen. Auch jetzt in Teltow bekomme ich mit, dass um sechs Uhr morgens plötzlich jemand ins Haus kommt und in die Wohnung über mir geht, ein paar Minuten später kommt jemand anderes raus.
    Wer die sind? Keine Ahnung, sie machen sich nicht einmal die Mühe, mir vorzuspielen, ganz normale Nachbarn zu sein. Wenn ich mal dort klingele, weil ich wieder Getrampel und laute Stimmen höre, dann machen sie nicht auf. Als seien sie nicht da, lassen sie mich vor der Tür stehen, dabei höre ich sie ganz genau.
    Ich würde wirklich lieber im Knast leben. Im Knast kannst du dich wenigstens selbst befriedigen, ohne dass du beobachtet wirst. Da gibt es auch keine Kameras neben der Toilette. Als ich kürzlich wieder mit 4,8   Gramm Hasch und 2,16   Gramm Heroingemisch am Kottbusser Tor erwischt und vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 70   Euro verurteilt wurde, wollte ich die Strafe absitzen.
    Aber das geht gar nicht! Wenn du zahlen kannst, musst du zahlen, die wollen natürlich lieber, dass du Geld bringst, als dass du welches kostest, da lassen sie dir keine Wahl.
    Darum bin ich zwischenzeitlich illegal zu einem Bekannten in ein Neuköllner Obdachlosenheim gezogen. Illegal deshalb, weil sie mich dort gar nicht übernachten lassen würden, wenn sie wüssten, wer ich bin, und wenn sie wüssten, dass ich in Teltow eine leer stehende Wohnung habe. Das ist eine Einrichtung der GeBeWo, also eine soziale Einrichtung. Die wollen nicht als Hotel missbraucht werden, sondern dürfen nur denen helfen, die wirklich Hilfe brauchen. Ich brauche Hilfe. Aber mir glaubt ja keiner – bis auf so gute Freunde wie Felix, der mich bei sich dort aufgenommen hat.
    Er glaubt mir. Aber was soll er schon ausrichten? Felix war zwar ein richtig harter Kerl, ein Dealer, der mehrere Banküberfälle begangen hat. Wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerem Diebstahl saß er auch schon im Knast – an Tisch Nummer eins, versteht sich. Aber inzwischen ist er 60 und hat den Körper eines 90-Jährigen. Das kommt vom Fixen. Felix ist jetzt ins Methadonprogramm gegangen, nach 40   Jahren Heroin. Wir schliefen zusammen in einem Bett. Er ist nur ein guter Freund, aber eben einer, der mit mir teilt, was er hat.
    Das ist nicht viel, aber doch so viel mehr als bei den meisten, die von mir nur nehmen und verlangen. Wenn er nachts so dalag, nur in seinen Boxershorts, und wenn ich dann seine schlimmen Beine sah, die voll sind mit schweren, tiefen Narben von den Abszessen, die du als Fixer bekommst, und dann seine volltätowierten Oberarme, dann konnte ich mir gut vorstellen, dass der sich im wahrsten Sinne des Wortes durch das Leben geboxt hat.
    Fuß an Kopf lagen wir jede Nacht auf 90 mal 200   Zentimetern. Die Matratze ist alt und an manchen Stellen verschimmelt.
    Es schimmelt und stinkt leider überall in diesem Heim, ich habe mir Hausschuhe mitgebracht, weil ich mich nicht traue, barfuß über den PVC-Boden dort zu laufen. Was soll ich sagen? Ich habe nichts gegen die Menschen, aber ich ekele mich vor diesem Heim und kann einfach nicht verstehen, wie die so leben können.
    Sie verschütten ihr Bier und urinieren in die Ecke, weil sie zu betrunken oder zu high sind, es noch in ihr Zimmer oder auf eine der Toiletten im Flur zu schaffen. Sie können nichts dafür, sie sind krank. Aber ein menschenwürdiges Leben ist das nicht. Hunde laufen frei durch das Haus und springen mit dreckigen Pfoten auf meine Bettwäsche, weil ihre Herrchen sie nicht halten. Manche Bewohner haben so große Wunden vom Stochern mit der Nadel, dass ständig Wundwasser aus ihnen herausläuft.
    Am ersten Tag dort habe ich erst einmal mit Gummihandschuhen und einem Liter Klorix wirklich jede Ecke in dem Vierbettzimmer von Felix geschruppt. Ich konnte nicht anders, es war spießig, ich weiß. Aber sonst hätte ich es nicht ausgehalten.
    Dreimal musste ich den Boden putzen, und jedes Mal waren die Lappen pechschwarz, man konnte sie nur noch wegwerfen. Ich war wirklich heilfroh, dass es im Bad einen Abfluss im Boden gab, so konnte ich alles dareinschieben und musste es nicht mit der Hand

Weitere Kostenlose Bücher