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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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Glimmstängel noch raucht.
    Bernd ist es egal. Ich liebe ihn trotzdem. Ich bewerte Menschen nicht aufgrund ihrer Lebensumstände. Für mich ist das alles normal, Dekadenz genauso wie Dreck. Ich verurteile so schnell niemanden.
    Und ich wünsche mir mehr als alles andere, dass man das mit mir auch nicht tut.
    Ich weiß, dass es nicht normal war, dass ich lieber dort lebte als daheim. Ich weiß, dass wenig von dem, was ich erlebe, für normale Menschen normal ist. Ich wünsche mir selbst oft, es wäre anders. Aber wer leidet schon darunter außer mir?
    Fast 13   Kilogramm wiegt der Rucksack, den ich seit Jahren täglich bei mir trage. Da ist alles drin, was ich mitnehmen muss, weil es sonst weg wäre, wenn ich wieder nach Hause komme. Unter anderem habe ich darin auch einen Schlagstock. Irgendwie muss ich mich ja wehren im Notfall.

„Wir Alten vom Bahnhof Zoo“
    30   Codein-Compretten je 60   Milligramm, 20   Tabletten der synthetischen Droge Mandrax, zehn Stück Diazepam Stada je 10   Milligramm und zehn Valium – diese Menge verschiedener beruhigender Medikamente würde ausreichen, um eine gesamte Schulklasse zu sedieren. Für Christiane Felscherinow entsprach das, als sie Anfang 20 war, einer ganz gewöhnlichen Tagesdosis. Einen opiatunerfahrenen Menschen würde die Einnahme nur eines Bruchteils davon sofort umbringen.
    Anders als bei anderen Rauschmitteln kann die Opiattoleranz des menschlichen Körpers innerhalb von vier bis fünf Wochen um das Fünfzigfache wachsen. Bei Alkohol zum Beispiel ist die Steigerungsrate viel geringer, sie liegt bei nur etwa dem Dreifachen der Ausgangsmenge.
    Ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark Beruhigungsmittel bei Menschen wirken, die nie zuvor Erfahrung damit gemacht haben, zeigt die US-amerikanische Filmkomödie „Hangover“. Der tollpatschige Alan gesteht darin den anderen Mitstreitern eines Junggesellenabschiedes in Las Vegas, dass er sie mit Ecstasy heimlich hatte aufputschen wollen, doch ihnen stattdessen versehentlich „Roofies“ in die Drinks gemischt habe – K.-o.-Tropfen. Damit beginnt eine Nacht im völligen Delirium, mit unkontrollierten Handlungen und einem Chaos, an das sich anderntags niemand mehr erinnert.
    „Roofie“ ist der amerikanische Name für Rohypnol, ein Wirkstoff, der zur Gruppe der Benzodiazepine gehört und als Schlafmittel verschrieben oder auch vor chirurgischen Eingriffen und gelegentlich auch zur kurzfristigen Sedierung von Patienten verwendet wird. Für viele Substituierte gehören die Benzodiazepine neben Alkohol und Cannabis zu den am meisten konsumierten Beigebrauchsmitteln.
    Der Beigebrauch jeglicher Drogen beeinflusst die Wirkung der Substitutionsmittel jedoch und kann sich unter Umständen sogar tödlich auswirken. In vielen Fällen würde allein die Methadondosis völlig ausreichen, um Nicht-Opiatabhängige zu töten. Eine 56   Kilogramm schwere Frau etwa würde die Einnahme von 5   Millilitern beziehungsweise 50   Milligramm Methadon kaum überleben, die Dosis von Substituierten liegt bei bis zu 20   Millilitern, also 200   Milligramm, am Tag.
    Seit 1991 kommt Methadon in Deutschland offiziell bei der Substitution Langzeitopiatabhängiger zum Einsatz. Es ist chemisch-strukturell anders aufgebaut als Morphin und Heroin – und es kickt nicht bei oraler Einnahme. Die Wirkung von Methadon entfaltet sich nur langsam, daher bleibt dieses plötzliche, umfassende Wohlbefinden des Körpers und der Psyche aus, das letztlich in die Sucht führt. Methadon ist im Grunde also nicht mehr als die Verhinderung von Entzugssymptomen, es soll dabei helfen, den Kreislauf aus unkontrollierbarem Verlangen, Beschaffungskriminalität, Arbeitslosigkeit und sozialer Verwahrlosung zu durchbrechen. Das Medikament an sich ist aber furchtbar langweilig. Es ist kein Genuss, im Gegenteil.
    Müdigkeit, Übelkeit oder sexuelle Störungen sind nur ein paar der Nebenwirkungen, mit denen die Patienten vor allem in den ersten Behandlungsmonaten zu kämpfen haben. Das starke Schwitzen hört bei etwa 30   Prozent der Patienten, solange die Einnahme fortdauert, nicht auf.
    Je nach Verträglichkeit werden bei einigen Patienten darum auch ähnlich wirkende Mittel wie Polamidon (in rund 30   Prozent der Fälle) und Buprenorphin (22   Prozent) verabreicht.
    2012 waren mehr als 77.000   Männer und Frauen in Deutschland in einem Heroin-Substitutionsprogramm. Das einzige Kriterium, das sie erfüllen müssen, um behandelt zu werden, ist nur noch die

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