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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Handelsverkehr zu begünstigen und kamen zumal Kirchen und Klöstern zugute, die dank gesteigerter Ertragslage imstande waren, auch karitativ in ihrem Umfeld zu wirken. An Münzfunden ist abzulesen, wie sehr die Weite des Karlsreiches den Austausch von Gütern begünstigte, der zunehmend auch den Raum östlich des Rheins und nördlich der Donau einschloß und bis nach England und Skandinavien ausgriff. Daß der Fernhandel durchaus im Blickfeld der Herrscher lag, zeigt zum einen Karls Anweisung im Diedenhofener Kapitular vor 805, an grenznahen Kontrollpunkten die Ausfuhr von Waffen in den slawischen Osten zu unterbinden[ 35 ],zum anderen die Praxis Ludwigs des Frommen, bestimmte Kaufleute mit einer kaiserlichen Schutzurkunde und weiteren Vorrechten auszustatten, die neben der Belieferung des Hofes und anderen Auftragsgeschäften auch auf eigene Rechnung hochwertige Güter aus entfernteren Gegenden zu beschaffen hatten[ 36 ]. In denselben Kontext gehören Schutzverleihungen an jüdische Händler, die sich unter der Herrschaft der Karolinger von Italien und Südgallien aus allmählich nordwärts ausbreiteten und bis zum Ende des 9. Jhs. auch im linksrheinischen Ostfrankenreich Fuß faßten.
Erneuerung von Bildung und Wissenschaft
    Besonders nachhaltig und weiträumig gewirkt haben die auf König Pippin und auf Karl den Großen zurückgehenden Bemühungen, den Verfall von Bildung und Wissenschaft zu beheben, der im Frankenreich vor allem durch die Begegnung mit gelehrten Iren und Angelsachsen bewußt geworden war. Es ging dabei nicht um eine «Renaissance» der römischen Antike, sondern in engem Zusammenhang mit der allgemeinen Kirchenreform darum, in Gottesdienst und Glaubenslehre Fehler und Wildwuchs zu überwinden, wozu es vermehrten Unterrichts, verbesserter Texte und überregionalen Austauschs bedurfte. «Da man in den heiligen Schriften Redefiguren, Bilder und ähnliches (
schemata, tropi et cetera
) eingestreut findet, ist es niemandem zweifelhaft, daß ein jeder Leser sie umso rascher im geistlichen Sinne begreift, je früher er in literarischer Bildung (
in litterarum magisterio
) völlig unterwiesen worden ist», ließ Karl um 789 in einer Verordnung verlauten, worin Klöstern und Stiftskirchen die Pflege der
litterae
zur Aufgabe gemacht wurde[ 37 ]. Das impulsgebende Zentrum war der Königshof, wo Karl seit etwa 780 auswärtige Gelehrte von Rang um sich scharte, nämlich Langobarden wie Paulinus, den späteren Patriarchen von Aquileja († 802), und Paulus Diaconus aus Montecassino († um 799), Angelsachsen mit Alkuin aus York († 804) an der Spitze, Iren um Dungal († nach 830) sowie den gebürtigen Westgoten Theodulf, später Bischof von Orléans († 821). Sie bildeten nicht nur einen von Karl geschätzten literarischen Zirkel, sondern widmetensich in seinem Auftrag auch dem Betrieb der Hofschule, dem Aufbau einer Bibliothek sowie der Abfassung von Gutachten, Lehrbüchern und Mustertexten, einschließlich einer Revision der lateinischen Bibel. Ihr Interesse erstreckte sich im Rahmen der «Sieben freien Künste» auch auf naturwissenschaftliche Disziplinen wie die Astronomie und die damit verbundene Komputistik mit langfristigen Auswirkungen auf das Kalenderwesen. Damit zogen sie begabte Schüler aus dem ganzen Reich an, so daß bald schon Franken wie Angilbert († 814), Einhard († 840) oder Modoin († 840/43) in ihren Kreis aufrückten, um mit der Zeit die Führung zu übernehmen.
    Der Lerneifer der Hofschule fand Nachahmung in den großen Klöstern und an zentralen Kirchen bei der Ausbildung des geistlichen Nachwuchses. Dabei war elementar anzusetzen, beim Lesen und Schreiben – wie es sich Karl selber nach Einhards Anekdote noch im Alter zur Aufgabe machte[ 38 ] –, und bei der Beherrschung der lateinischen Sprache, die sich bis zum 8. Jh. regional verschieden entwickelt hatte und daher mittlerweile im Sinne einer klassizistischen Reinigung zu vereinheitlichen war. Einen Prozeß des großräumigen Ausgleichs beobachtet man auch bei den Bücherbeständen, denn der anfängliche Mangel an Codices machte schon um der Schulen willen nichts dringlicher als beharrliches Abschreiben, das sich nicht auf die am eigenen Ort verfügbaren Textvorräte beschränken konnte. Dem kam der weite Rahmen des Karlsreiches ebenso entgegen wie die Ausbreitung eines neuen vereinfachten Schrifttyps, der karolingischen Minuskel, die während der Jahrzehnte Karls des Großen von Schreibschulen der westlichen

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