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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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sich daraus ergab, beruhte auf einem engen Wechselverhältnis von Herrenhof (
villa
oder
curtis dominica
) samt unmittelbar bewirtschaftetem «Salland» (
terra indominicata
) und den einzelnen Bauernstellen (Hufen), die gegen die Verpflichtung zu Naturalabgaben und Arbeitsleistungen nach Leiherecht ausgegeben waren. Die Rechtsformen der Leihe und demgemäß Art und Umfang der verlangten Dienste waren durchaus unterschiedlich, aber jeweils darauf ausgerichtet, einerseits Versorgung und Arbeitskraft am «Fronhof» auch zu Zeiten des Spitzenbedarfs während der Feldbestellung und der Ernte zu gewährleisten, andererseits den «hörigen» Bauern einen gewissen Lebensunterhalt zu sichern. Das dafür dauerhaft und faktisch erblichüberlassene Land des Grundherrn konnte je nach Nutzungsart verschiedene Felder, Weiden und Gerechtsame umfassen, die insgesamt die Überschüsse zur Entrichtung der Abgaben ermöglichen sollten. Weit über die ökonomische Abhängigkeit hinaus waren die schollengebundenen Arbeitskräfte dem umfassenden Machtwort ihres Grundherrn unterworfen.
    Parallel zur Expansion des Frankenreiches ist ein starkes Anwachsen der Grundherrschaften in Händen des Königtums, großer Adelsfamilien und kirchlicher Institutionen zu beobachten. Sie übertrugen ihre Fronhöfe einem Verwalter (
villicus
, «Meier»), der seine Aufgabe im Rahmen eines weiträumigen Domanialverbandes erfüllte (Villikationssystem). Dabei bezog sich das Wirtschaften nicht allein auf die eigentliche Agrarproduktion, sondern auch auf das Transportwesen und alle notwendigen handwerklichen Tätigkeiten (von Müllern, Bäckern, Gerbern, Schmieden, Töpfern u.ä.), in speziellen Arbeitshäusern für Frauen auch auf die Textilherstellung und -verarbeitung, so daß ein weithin autarker Organismus entstand, der für den eigenen Bedarf kaum auf Handel angewiesen war, wohl aber selber einen Markt beliefern konnte. Die gewachsenen Größenordnungen erforderten schon zur Zeit Karls des Großen schriftliche Unterlagen der Betriebsführung, die uns im Falle ihrer Überlieferung wertvollen Einblick in Verteilung und Erträge der Arbeit gestatten. Am besten bekannt sind die königlichen
fisci
, die in zahlreichen Urkunden als Schauplätze und Objekte herrscherlicher Entscheidungen begegnen und in ihrer Verwaltung und Bewirtschaftung generellen Anweisungen unterlagen; hervorzuheben ist das wohl gegen 800 verkündete Capitulare de villis mit genauen Regelungen über Ausstattung, Ablieferungen und Rechnungsführung der Domänen[ 34 ], was indes als normative Reaktion auf Mißstände und kaum als Modell der Wirklichkeit aufzufassen ist. Das umfangreiche Königsgut kam nicht allein dem Lebensunterhalt des Hofes, sondern auch seinen umherreisenden Beauftragten und der Stärke des Heeres zugute und stellte obendrein ein wertvolles Kapital zur verpflichtenden Begünstigung von Amtsträgern, Vasallen und hoher Geistlichkeit dar. Die weite räumlicheStreuung der Erträge erlaubte und erforderte im allgemeinen einen ambulanten Regierungsstil, bei dem Pfalzen, zunächst unbefestigte Repräsentationsbauten mit angeschlossenem Wirtschaftshof, bevorzugt als temporäre Residenzen aufgesucht, aber auch florierende kirchliche Einrichtungen als Gastgeber auf Zeit in Anspruch genommen wurden. Die weitgehende Konzentration des Herrschaftsalltags auf die Pfalz Aachen in den letzten 20 Jahren Karls und den ersten Ludwigs des Frommen stellt durchaus eine Ausnahme dar, die durch das Ende der Expansionspolitik bedingt war und den Höhepunkt in der Effektivität zentraler Versorgung anzeigt.
    Außer den Zufuhren aus den Fiskalgütern standen dem Königtum Einkünfte in nicht näher bezifferbarem Umfang aus Zöllen und Münzprägung, Gerichtsgefällen und Bannbußen sowie individuelle Abgaben zinspflichtiger Leute und gewohnheitsrechtliche «Geschenke» von Lehnsträgern und Kirchen zu, die in gemünztem oder ungemünztem Edelmetall entrichtet wurden. Besonders Zölle scheinen von einiger Bedeutung gewesen zu sein; als Verkehrszölle dienten sie, wenigstens dem Anspruch nach, dem Unterhalt von Wegen, Brücken und Häfen, während Marktzölle, die aus dem Güteraustausch selbst erwuchsen, als Entgelt für Veranstaltung und Schutz des Marktes betrachtet wurden und im Verlauf des 9. Jhs. eine königliche Aufsicht über den Warenumschlag anbahnten. Zahlreiche Zollbefreiungen durch Verordnungen und Urkunden der Herrscher suchten den Transport von Eigenbedarf gegenüber dem

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