Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Befugnis zur Lehre zu befinden, um deren Einheitlichkeit und Qualität zu sichern, wurde zunehmend Stein des Anstoßes für die Magister, deren Elitebewußtsein in dem Maße wuchs, wie sich ihr Wissensvorrat durch weitere Übersetzungen (zumal des Aristoteles) vermehrte, auch Kirchenrecht und Medizin in die Lehre einbezogen wurden und der Zustrom der Hörer aus der ganzen lateinischen Christenheit anschwoll. Gerade um das Jahr 1200 taten Magister und Scholaren den entscheidenden Schritt, sich über die Fachgrenzen hinweg genossenschaftlich zusammenzuschließen, um als Ortsfremde einander gegen die lokale kirchliche Autorität ebenso wie das Volk von Paris beizustehen und autonom über den Zugang zum Katheder, die Organisation von Studium und Prüfungen oder interne Streitfälle entscheiden zu können. Die dafür gewählte Bezeichnung
universitas (magistrorum et scolarium)
, erstmals 1208/09 belegt in der Bestätigungsurkunde Papst Innocenz’ III., war damals genauso gebräuchlich für freie Vereinigungen von Kaufleuten, Handwerkern, Juden oder Bürgern und betonte deren egalitären Zuschnitt. Ein analoger Vorgang spielte sich wohl schon ein paar Jahre früher in Bologna ab, wo die Magister das städtische Bürgerrecht besaßen und die weitgereisten Scholaren zunächst unterschiedliche «Nationen» bildeten und diese sich zu zwei
universitates (scolarium)
der Nordalpinen und der Südalpinen mit je eigenem Rektor formierten. Auch das englische Oxford samt Cambridge, dessen Universität 1209 durch Abwanderung aus Oxford entstand, sowie Montpellier, seit 1204 unter aragonesischer Herrschaft, gehören zu den ältesten Schauplätzen des neuartigen akademischen Zusammenlebens, das zum Erbe des europäischen Hochmittelalters an die ganze Welt geworden ist.
Anhang
Bildnachweis
Abb. 1 (S. 47):
akg-images, Berlin
Abb. 2 (S. 61):
akg-images, Berlin/Bildarchiv Monheim
Abb. 3 (S. 132):
akg-images, Berlin
Abb. 4 (S. 141):
akg-images, Berlin
Abb. 5 (S. 144):
akg-images, Berlin
Abb. 6 (S. 168):
akg-images, Berlin/Erich Lessing
Abb. 7 (S. 197):
akg-images, Berlin/Werner Forman
Abb. 8 (S. 217):
akg-images, Berlin
Abb. 9 (S. 232):
akg-images, Berlin/British Library
Abb. 10 (S. 255):
akg-images, Berlin
Zeitleiste
687
Beginn der karolingischen Vorherrschaft im Frankenreich
690
Beginn der angelsächsischen Mission auf dem Kontinent
711
Beginn der arabischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel
717/18
Arabische Belagerung von Konstantinopel
732
Sieg Karl Martells über die «Sarazenen» zwischen Tours und Poitiers
751
Königserhebung Pippins des Jüngeren, Verdrängung der Merowinger; langobardische Eroberung von Ravenna
754/56
Sieg König Pippins über die Langobarden, Anfänge des Kirchenstaats
756
Begründung des omaijadischen Emirats von Córdoba
768/71–814
Herrschaft Karls des Großen
772–804
Sachsenkriege Karls des Großen
774
Eroberung des Langobardenreichs durch Karl den Großen
778
Feldzug Karls des Großen nach Spanien
787
Konzil von Nikaia: Ende des Bilderstreits
793
Beginn der normannischen Überfälle auf England
796
Eroberung des Awarenreichs durch die Franken
800
Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom
812
Ausgleich Karls des Großen mit Byzanz
814–840
Herrschaft Ludwigs des Frommen
815–843
Erneuter Bilderstreit in Byzanz
823
Beginn der fränkischen Mission in Skandinavien
827–902
Arabische Eroberung von Sizilien
839
Erste Erwähnung der Rus
842
Straßburger Eide
843
Teilungsvertrag von Verdun
846–870
Großmährisches Fürstentum Rastislaws
846
Überfall der «Sarazenen» auf Rom
858–867
Papst Nikolaus I.
863–869
Konstantinos/Kyrillos und Methodios als Missionare in Mähren
864/65
Taufe des Bulgarenkhans Boris
869/70
IV. Konzil von Konstantinopel
870
Teilung des karolingischen Mittelreichs zwischen West- und Ostfranken
871–899
Herrschaft Alfreds des Großen von Wessex
875
Kaiserkrönung Karls des Kahlen in Rom
885/86
Belagerung von Paris durch die Normannen
887
Sturz Kaiser Karls III., Auflösung des fränkischen Großreichs
895/96
Eindringen der Ungarn in das Karpatenbecken
899
Tod Kaiser Arnolfs, Ende der karolingischen Italienpolitik
911
Tod Ludwigs des Kindes, Ende der ostfränkischen Karolinger
um 911
Etablierung der Normannen in der Normandie
919–936
Sächsisch-ostfränkische Herrschaft Heinrichs I.
924/28
Erlöschen des westlichen Kaisertums durch den Tod Berengars I. und Ludwigs des Blinden
929
Begründung des Kalifats von
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