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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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müsstest ja nicht bei mir wohnen, und wir müssten auch nicht zusammen sein. Wir könnten dir eine Wohnung suchen, wo du an Search Engine arbeiten könntest. Der Junge wäre tagsüber bei mir und abends bei dir. In Colorado gibt es auch Bäume und Wasser, weißt du.«
    Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Der Himmel war niedrig und voller Wolken, die von den Lichtern der Stadt in ein trübes, schmutziges Rosa getaucht wurden. In den Bergen über Gunbarrel war der Himmel nachts voller Sterne – viel mehr als hier auf Meeresspiegelhöhe. Diese Berge waren eine andere Welt, mit anderen Straßen.
    »Ich glaube, das würde mir gefallen, Lou«, sagte sie. »Wayne wird im September nach Colorado zurückkehren, wenn die Schule wieder anfängt. Und ich würde gern mitkommen, wenn das in Ordnung ist.«
    »Natürlich ist das in Ordnung. Bist du verrückt?«
    Einen Moment lang schwiegen sie beide. Eine weitere Blüte segelte herab und landete in V ics Haar. Dann sahen sie einander an und brachen in Gelächter aus. V ic lachte so heftig und befreit, dass sie nach Luft schnappen musste.
    »Sorry«, sagte Lou. »Nicht die beste Wortwahl.«
    Wayne, der in sechs Metern Entfernung auf der Steinmauer saß, drehte sich zu ihnen um. Er hielt eine abgebrannte Wunderkerze in der Hand, von der ein schwarzer Rauchfaden aufstieg. Er winkte ihnen zu.
    »Dann fährst du also nach Colorado zurück und suchst eine Wohnung für mich«, sagte V ic zu Lou, während sie Wayne zuwinkte. »Und Ende August, wenn Wayne nach Hause fliegt, werde ich ihn begleiten. Ich würde auch jetzt schon kommen, aber wir haben das Ferienhäuschen am See noch bis Ende August gemietet und das Camp ist für weitere drei Wochen bezahlt.«
    »Außerdem musst du die Arbeit an dem Motorrad beenden«, sagte Lou.
    »Hat Wayne dir davon erzählt?«
    »Nicht nur erzählt. Er hat mir Fotos geschickt. Hier.« Lou warf ihr seine Jacke zu.
    Die Motorradjacke war groß und schwer und bestand aus einem schwarzen Synthetikgewebe mit aufgenähten Plättchen zur V erstärkung – eine Teflonrüstung. Schon als V ic vor sechzehn Jahren das erste Mal die Arme darum geschlungen hatte, war sie ihr wie die coolste Jacke der Welt vorgekommen. Am vorderen Kragen befanden sich mehrere ausgeblichene und ausgefranste Aufnäher: Route 66, Soul und der Schild von Captain America. Die Jacke roch nach Lou, nach Heimat. Nach Bäumen und Schweiß und Schmieröl und dem sauberen, süßen Wind, der in den Bergen weht.
    »Diese Jacke kann dir das Leben retten«, sagte Lou. »Trag sie.«
    In diesem Moment wurde der Himmel über dem Hafen von einem tiefroten Blitz zerrissen. Eine Rakete explodierte mit ohrenbetäubendem Knall. Der Himmel öffnete sich, und weiße Funken regneten herab.
    Das Feuerwerk hatte begonnen.

I-95
    V ierundzwanzig Stunden später fuhr V ic mit Wayne und Hooper zurück zum Lake Winnipesaukee. Die gesamte Fahrt über regnete es – ein sommerlicher Wolkenbruch, der auf die Straße niederprasselte und sie dazu zwang, unter achtzig Stundenkilometern zu bleiben.
    Sie waren schon über die Grenze in New Hampshire, als V ic einfiel, dass sie vergessen hatte, sich eine neue Packung Abilify zu besorgen.
    Sie musste sich ganz auf die Straße vor ihr konzentrieren, um nicht von der Spur abzukommen. Aber selbst wenn sie in den Rückspiegel geschaut hätte, wäre ihr das Auto, das ihr in zweihundert Metern Entfernung folgte, nicht aufgefallen. Nachts sahen alle Scheinwerfer gleich aus.

Lake Winnipesaukee
    W ayne wachte im Bett seiner Mutter auf, bevor er wirklich ausgeschlafen hatte. Etwas hatte ihn aus dem Schlaf gerissen – ein leises Klopfen an der Schlafzimmertür. Poch, poch, poch.
    Seine Augen waren offen, doch er hatte nicht das Gefühl, wach zu sein. Ein Zustand, der noch den ganzen Tag anhalten sollte, sodass ihm alles, was er sah und hörte, wie ein entrückter Traum vorkam. Sämtliche Begebenheiten schienen ihm irgendwie hyperreal und mit einer geheimen Bedeutung aufgeladen zu sein.
    Er konnte sich nicht erinnern, im Bett seiner Mutter eingeschlafen zu sein, war jedoch nicht weiter überrascht, dort aufzuwachen. Sie trug ihn öfter in ihr Bett, nachdem er eingeschlafen war. Manchmal brauchte sie in der Kälte der Nacht wohl einfach seine Gegenwart wie eine zusätzliche Decke. Im Augenblick war er allein im Bett. Sie stand meistens vor ihm auf.
    »Hallo?«, sagte er und rieb sich die Augen.
    Das Klopfen hörte auf – und war dann erneut zu vernehmen, diesmal zögerlich, beinahe

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