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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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konnte sie alle möglichen Geheimnisse herausfinden. Nachrichten aus dem Jenseits empfangen. Solche Sachen.«
    »Eine imaginäre Freundin.«
    Sie schenkte ihm ein ängstliches, entschuldigendes Lächeln und schüttelte kurz den Kopf. »Mir kam es nie wie Einbildung vor. Ich hatte das Gefühl, es sei echt.«
    »Selbst der Teil, als du mit dem Fahrrad bis nach Iowa gefahren bist?«
    »Über die Shorter Way Bridge.«
    »Und wie lange hat es gedauert, um von Massachusetts nach Iowa zu gelangen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht dreißig Sekunden? Höchstens eine Minute.«
    »Du hast dreißig Sekunden gebraucht, um von Massachusetts nach Iowa zu radeln. Und das kam dir nicht wie Einbildung vor?«
    »Nein. Ich erinnere mich daran, als wäre das alles wirklich passiert.«
    »Okay. V erstanden. Erzähl weiter.«
    »Also, wie gesagt, dieses Mädchen in Iowa hatte einen Beutel mit Scrabble-Steinen. Sie konnte Buchstaben herausholen und sie zu Sätzen legen. Ihre Scrabble-Steine enthüllten ihr Geheimnisse, so wie mein Fahrrad mir geholfen hat, verlorene Dinge zu finden. Sie sagte, es gäbe noch andere Menschen wie uns. Menschen, die mithilfe bestimmter Gegenstände unmögliche Dinge tun konnten. Sie hat mir von Charlie Manx erzählt und mich vor ihm gewarnt. Sie sagte, es gäbe da einen bösen Mann mit einem bösen Auto. Er benutze sein Auto dazu, Kindern die Lebensenergie auszusaugen. Er sei eine Art V ampir – ein Highwayvampir.«
    »Willst du damit sagen, dass du von Charlie Manx schon wusstest, bevor er dich entführt hat?«
    »Nein. Weil er mich nämlich in dieser V ersion meines Lebens gar nicht entführt hat. In dieser V ersion hatte ich einen dummen Streit mit meiner Mutter und bin hinterher mit dem Fahrrad losgefahren, um ihn zu suchen. Ich war auf Ärger aus, und den habe ich gefunden. Ich bin über die Shorter Way Bridge gefahren und in der Nähe von Charlie Manx’ Sleigh House herausgekommen. Er wollte mich umbringen, aber ich konnte fliehen, und dann bin ich dir begegnet. Die Geschichte, die ich der Polizei erzählt habe, dass er mich überfallen und in seinen Kofferraum gesperrt hat – das habe ich mir alles nur ausgedacht, weil mir die Wahrheit niemand geglaubt hätte. Es war egal, was ich über Charlie Manx erzählte, weil ich wusste, dass er in Wirklichkeit viel schlimmere Dinge getan hatte. Denk dran: In dieser V ersion meines Lebens ist er kein schmieriger alter Kidnapper, sondern ein echter V ampir.«
    Sie weinte nicht, aber ihre Augen glänzten feucht. Sie leuchteten auf eine Weise, dass die Wunderkerzen dagegen billig und blass aussahen.
    »Er hat also kleinen Kindern die Lebensenergie ausgesaugt«, sagte Lou. »Und was dann? Was ist mit ihnen passiert?«
    »Sie gelangten an einen Ort namens Christmasland. Ich weiß nicht, wo das liegt – ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt Teil unserer Welt ist –, aber offenbar gibt es eine gute Telefonverbindung. Die Kinder des Christmaslands haben mich nämlich ständig angerufen.« Sie betrachtete die Kinder, die mit Wayne auf der Steinmauer saßen, und flüsterte: »Nachdem Manx ihnen die Lebensenergie ausgesaugt hatte, war nicht mehr viel von ihnen übrig. Sie bestanden nur noch aus Hass und Zähnen.«
    Lou erschauerte. »Mannomann.«
    In der Nähe brach eine kleine Gruppe Männer und Frauen in Gelächter aus, und Lou warf ihnen einen finsteren Blick zu. Im Moment hatte niemand das Recht, fröhlich zu sein.
    Er sah V ic an und sagte: »Also, um es noch mal zusammenzufassen: Es gibt eine V ersion deines Lebens, wo Charlie Manx, ein mieser alter Kindermörder, dich aus einem Bahnhof entführt und du ihm nur knapp entkommst. Das ist die offizielle V ariante. Aber dann gibt es noch eine andere, wo du mit einem von Gedankenkraft angetriebenen Fahrrad über eine imaginäre Brücke fährst und ihn selber in Colorado aufsuchst. Das ist die inoffizielle V ersion. Wie bei VH1 Behind the Music .«
    »Ja.«
    »Und beides könnte deinem Gefühl nach stimmen.«
    »Ja.«
    »Aber du weißt, dass die Geschichte mit der Shorter Way Bridge Quatsch ist, oder?«, fragte er und musterte sie eingehend. »Tief in deinem Inneren ist dir klar, dass es eine Geschichte ist, die du dir ausgedacht hast, um nicht über das nachdenken zu müssen, was wirklich mit dir passiert ist. Über die … Entführung und das alles.«
    »Ja«, sagte V ic. »So habe ich es mir in der Nervenklinik zusammengereimt. Meine Geschichte über die magische Brücke ist eine klassische

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