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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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herum, als ihr wieder einfiel, dass es ja gar keine Rückbremse gab! Sie zog an der V orderbremse, und für einen kurzen Moment befürchtete sie, dass diese vielleicht auch nicht funktionieren könnte.
    Zum Glück war ihre Angst unbegründet. Die V orderbremse griff so abrupt, dass sie beinahe über den Lenker geschleudert worden wäre. Der Hinterreifen brach aus und rutschte quietschend über den Asphalt. Immer noch schlitternd erreichte V ic den unbefestigten Parkplatz. Die Reifen wühlten die Erde auf, und eine braune Staubwolke hüllte sie ein.
    Holpernd fuhr die Triumph an der V ideothek vorbei, bevor sie schließlich am Ende des Parkplatzes zum Stehen kam.
    Unter den Tannen war es stockfinster. Ein Pfad führte von der Rückseite des Hauses in den Wald, war jedoch mit einer Kette abgesperrt. Möglicherweise handelte es sich um einen Fahrradweg oder einen ungenutzten Wanderpfad. V on der Straße aus hatte sie ihn nicht gesehen, er lag tief in den Schatten verborgen.
    Sie hörte den Polizeiwagen erst, als er schon sehr nahe war. Das Geräusch ihres keuchenden Atems und ihres pochenden Herzens war ohrenbetäubend laut. Der Wagen raste vorbei. Sein Untergestell schepperte, als er über die Dellen in der Straße hinwegfuhr.
    Am Rand ihres Blickfeldes bemerkte sie eine Bewegung. Sie sah zu einem Fenster hinauf, das halb mit einem Powerball-Werbeposter zugeklebt war. Ein dickes Mädchen mit einem Nasenring blickte mit weit aufgerissenen Augen zu ihr heraus. Sie hatte ein Telefon am Ohr, und ihre Lippen bewegten sich.
    V ic betrachtete den schmalen Pfad auf der anderen Seite der Kette. Er war mit Tannennadeln bedeckt und führte steil bergab. Sie überlegte, was dort unten liegen könnte. V ermutlich die Route 11. Wenn der Pfad nicht zum Highway führte, könnte sie ihm zumindest bis zum Ende folgen und dann das Motorrad abstellen. Unter den Bäumen wäre es angenehm friedlich. Dort könnte sie in Ruhe sitzen und auf die Polizei warten.
    Sie nahm den Gang heraus und schob das Motorrad an der Kette vorbei. Dann stellte sie die Füße auf die Fußrasten und überließ der Schwerkraft den Rest.
    V ic rollte durch ein dunkles Dickicht, das süß nach Tannen und nach Weihnachten roch – ein Gedanke, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Es erinnerte sie an das Wäldchen in Haverhill und den kleinen Abhang hinter ihrem Elternhaus. Die Reifen holperten über Baumwurzeln und Steine, und es war nicht ganz einfach, das Motorrad über den schmalen Pfad zu steuern. Sie richtete sich auf, um das V orderrad im Blick zu behalten. Sie musste aufhören zu denken, ihren Kopf ganz leer machen. Jetzt war keine Zeit, über die Polizei, Lou, Manx oder Wayne nachzudenken. Sie musste sich darauf konzentrieren, das Gleichgewicht zu halten.
    In der Finsternis unter den Bäumen, die nur von einzelnen Lichtstrahlen durchbrochen wurde, überkam sie eine eigenartige Ruhe. Ihr Kreuz schmerzte wegen der unbequemen Haltung, aber es war ein guter Schmerz, weil sie die Bewegungen des Motorrades mit jeder Faser ihres Körpers fühlte.
    Der Wind rauschte leise in den Baumwipfeln, und es klang wie das Plätschern eines Flusses.
    Sie wünschte sich, sie hätte Gelegenheit gehabt, Wayne auf dem Motorrad mitzunehmen. Wenn sie ihm diese Wälder hätte zeigen können, mit ihrem Teppich aus rostroten Tannennadeln, unter einem strahlend blauen Julihimmel, wäre das ein unvergessliches Erlebnis geworden. Es wäre schön gewesen, unter den duftenden, schattigen Bäumen entlangzufahren, während Wayne sich an ihr festhielt, und dann an einem stillen Fleckchen anzuhalten, ein paar Butterbrote zu essen und Limonade zu trinken. Irgendwann wären sie nebeneinander eingedöst, auf der moosbedeckten Erde und unter der hohen Decke aus verzweigten Ästen – ein uraltes und natürliches Haus des Schlafes. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie beinahe Waynes Arme an ihrer Hüfte spüren.
    Doch sie wagte nur kurz, die Augen zuzumachen. Sie atmete aus und blickte hoch – und in diesem Moment hatte das Motorrad das Ende des Abhangs erreicht und rollte die letzten Meter auf die überdachte Brücke zu.

Shorter Way
    V ic trat automatisch mit dem Fuß auf die Rückbremse. Nichts geschah. Das Motorrad rollte weiter und hatte den Eingang der Brücke fast erreicht, als ihr die V orderbremse wieder einfiel und sie langsam anhielt.
    Es war vollkommen unglaublich: eine zehn Meter lange überdachte Brücke, die mitten im Wald stand. Jenseits des efeuumrankten Eingangs gähnte

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