Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
ausgerissen hatte, und hob die Überreste des Schmetterlings auf. In den Wagentüren befanden sich kleine Aschenbecher mit Walnussholzdeckeln. Wayne öffnete einen davon, stopfte den Schmetterling hinein und schloss den Deckel wieder. Schon viel besser.
    Der Zündschlüssel drehte sich herum, und das Auto erwachte zum Leben. Das Radio schaltete sich ein. Elvis Presley versprach, dass er an Weihnachten zu Hause sein würde. Manx schob sich hinter das Lenkrad.
    »Du hast den halben Tag verschlafen«, sagte er. »Aber nach all der Aufregung gestern überrascht mich das nicht. Das Mittagessen hast du leider verpasst. Ich hätte dich ja geweckt, aber ich dachte mir, dass du wahrscheinlich deinen Schlaf brauchst.«
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte Wayne. Beim Anblick des zerrissenen Schmetterlings war ihm der Appetit vergangen, und allein der Gedanke an Essen – aus irgendeinem Grund sah er fettige Würstchen vor sich – verursachte ihm Übelkeit.
    »Nun, heute Abend werden wir in Indiana sein. Ich hoffe, dass du bis dahin wieder Appetit hast! Ich kenne da ein Diner an der I-80, wo man einen Korb frittierte Süßkartoffeln mit Zimt und Zucker bekommt. Ein einmaliges Geschmackserlebnis! Man kann gar nicht mehr aufhören zu essen.« Manx seufzte. »Ich liebe Süßigkeiten! Es ist ein Wunder, dass mir nicht längst die Zähne weggefault sind!« Er drehte sich um und zeigte Wayne grinsend sein braunes, schiefes Gebiss. Wayne hatte schon alte Hunde mit besseren Zähnen gesehen.
    Manx hielt ein paar Ausdrucke in der Hand, die von einer großen gelben Büroklammer zusammengehalten wurden, und blätterte sie beiläufig durch. Die Zettel sahen schon etwas zerknittert aus, und Manx betrachtete sie einen Moment lang, bevor er sie schließlich ins Handschuhfach legte.
    »Bing hat ein wenig recherchiert«, sagte Manx. »Ich erinnere mich an eine Zeit, als einem die Nase abgeschnitten wurde, wenn man sie zu tief in Sachen steckte, die einen nichts angingen. Jetzt kann man auf Knopfdruck alles in Erfahrung bringen, was es über einen Menschen zu wissen gibt. Es existiert keine Privatsphäre mehr und keine Rücksichtnahme. Jeder schnüffelt in allem herum. Wahrscheinlich könntest du im Intertube sogar herausfinden, welche Farbe meine Unterwäsche hat. Dennoch: Die Technologie dieses schamlosen Zeitalters hat auch ihre V orteile! Du wirst nicht glauben, was Bing alles über diese Margaret Leigh ausgegraben hat. Leider muss ich dir sagen, dass die Freundin deiner Mutter Drogen nimmt und eine Frau von schlechtem Charakter ist. Was mich allerdings nicht weiter überrascht. Bei den vielen Tätowierungen und der unfeinen Ausdrucksweise deiner Mutter ist das genau die Art von Gesellschaft, die ich bei ihr erwartet habe. Du kannst dir gern alles durchlesen, was wir über Ms. Leigh gefunden haben. Dann wird dir während der Fahrt nicht langweilig.«
    Die Schublade unter dem Fahrersitz glitt auf, und darin lagen die Ausdrucke über Maggie Leigh. Wayne hatte diesen Trick nun schon einige Male gesehen und hätte sich längst daran gewöhnen können, er überraschte ihn dennoch immer wieder.
    Er beugte sich vor und zog die Ausdrucke heraus. Die Schublade schlug so plötzlich zu, dass Wayne erschrocken aufschrie und das Papier fallen ließ. Charlie Manx lachte wiehernd. Es klang wie das Lachen eines zurückgebliebenen Rednecks, der gerade einen Witz über eine Lesbe, einen Neger und eine Feministin gehört hatte.
    »Hoffentlich sind noch alle Finger dran! Heutzutage haben die Autos so viele Funktionen, die kein Mensch braucht. Das Radio läuft über Satelliten, es gibt Sitzheizungen und ein GPS für Leute, die zu beschäftigt sind, um einen Gedanken daran zu verschwenden, wohin sie fahren – Hauptsache sie kommen schnell an! Dieser Rolls-Royce ist jedoch mit etwas ausgestattet, was den modernen Wagen fehlt – einem Sinn für Humor. Sei lieber auf der Hut, solange du dich im Wraith befindest, Wayne! Beinahe hätte die alte Dame dich beim Träumen erwischt!«
    Wirklich zum Schreien, dachte Wayne. Wenn er nur ein bisschen langsamer gewesen wäre, hätte die Schublade ihm die Finger gebrochen. Er ließ die Ausdrucke auf dem Boden liegen.
    Manx legte einen Arm auf die Trennwand und blickte nach hinten durch das Rückfenster, während er den Wagen aus der Garage manövrierte. Die Narbe auf seiner Stirn war leuchtend rosafarben und sah aus, als wäre sie zwei Monate alt. Er hatte den V erband vom Ohr abgenommen. Das Ohr war zwar verschwunden, aber die

Weitere Kostenlose Bücher