Christmasland (German Edition)
Mutter, erstickt von Gefühlen. »Wayne.«
»Ich bin hier. Kannst du mich hören?«
»Wayne«, sagte seine Mutter noch einmal. » Wayne. Geht es dir gut?«
»Ja!«, erwiderte er. »Wir haben an einem Laden angehalten, wo es Feuerwerk gibt. Mr. Manx wird mir ein paar Wunderkerzen und vielleicht eine Rakete kaufen. Ist alles in Ordnung? Du klingst, als würdest du weinen.«
»Ich vermisse dich. Mama will dich wiederhaben, Wayne. Ich werde dich holen kommen.«
»Oh. Okay«, sagte Wayne. »Ich habe einen Zahn verloren. Ein paar Zähne sogar! Mama, ich hab dich lieb! Alles ist in Ordnung. Mir geht es gut. Wir haben eine Menge Spaß!«
»Wayne. Dir geht es nicht gut. Er macht etwas mit dir. Er manipuliert dich. Du musst dich dagegen wehren. Er ist kein guter Mann.«
Wayne spürte ein nervöses Flattern im Magen. Er fuhr mit der Zunge über seine neuen, hakenähnlichen Zähne. »Er kauft mir Feuerwerk«, sagte er trotzig. Den ganzen Morgen über hatte er an das Feuerwerk gedacht, daran, wie er mit den Raketen Löcher in die Nacht schießen und den ganzen Himmel in Brand stecken würde. Wenn doch nur die Wolken brennbar wären. Das wäre ein Anblick! Lodernde Flammenwolken, die vom Himmel fielen und dabei schwarzen Rauch hinter sich her zogen.
»Er hat Hooper umgebracht, Wayne«, sagte seine Mutter, und es war wie ein Schlag ins Gesicht. Wayne zuckte zusammen. »Hooper ist gestorben, weil er für dich gekämpft hat. Jetzt musst auch du kämpfen!«
Hooper. Ihm kam es so vor, als hätte er schon seit Jahren nicht mehr an den Hund gedacht. Nun erinnerte er sich an ihn: die großen, traurigen Augen, die ihn aus einem zottigen Yeti-Gesicht anschauten. Der stinkende Atem des Hundes, sein warmes, seidiges Fell, die unbändige Freude … und dann war Hooper gestorben. Er hatte den Gasmaskenmann in den Knöchel gebissen, und Mr. Manx hatte … er hatte …
»Mama«, sagte Wayne plötzlich. »Ich glaube, ich bin krank, Mama. Ich bin innerlich vergiftet.«
»O Schatz«, sagte seine Mutter. Sie weinte wieder. »O Schatz, halte durch. Bleib du selbst. Ich komme!«
Waynes Augen brannten, und einen Moment lang verschwamm alles um ihn herum. Es überraschte ihn, dass er den Tränen so nahe war. Eigentlich fühlte er sich gar nicht traurig, es war eher die Erinnerung daran, wie es war, traurig zu sein.
Erzähl ihr etwas, was ihr weiterhilft, dachte er. Weiterhilft. Etwas. Erzähl.
»Ich habe Oma Lindy gesehen«, platzte es aus ihm heraus. »In einem Traum. Sie hat irgendwie komisch gesprochen, aber sie hat versucht, mir zu erklären, wie ich mich gegen ihn wehren kann. Es ist so schwierig. So, als wollte man einen schweren Stein mit einem Löffel aufheben.«
»Was immer sie gesagt hat, tu es!«, erwiderte seine Mutter. »Du musst es versuchen!«
»Ja, ja, das werde ich«, sagte er eilig. »Mama, da ist noch etwas. Wir sind unterwegs zu …«
Aber in diesem Moment streckte Manx die Hand aus und riss ihm das Handy weg. Sein langes, hageres Gesicht war rot angelaufen, und er sah wütend aus, so als hätte er gerade bei einem Kartenspiel verloren.
»Genug geschwatzt«, sagte Mr. Manx in einem fröhlichen Ton, der nicht zu seinem finsteren Gesichtsausdruck passte. Dann schlug er die Wagentür zu.
Sobald die Tür geschlossen war, hatte Wayne das Gefühl, eine elektrische Leitung sei gekappt worden. Erschöpft sank er auf das Lederpolster zurück. Sein Nacken war steif, und in seinen Schläfen pochte es. Er war aufgewühlt. Die Stimme seiner Mutter, ihr Weinen und die Erinnerung an Hoopers Tod hinterließen ein nervöses Gefühl in seinem Magen.
Ich bin vergiftet, dachte er. Vergiftet bin ich. Er tastete nach der Hosentasche, wo sich die Zähne befanden, die ihm ausgefallen waren, und er musste an eine Strahlenvergiftung denken. Ich bin verstrahlt, dachte er. » V erstrahlt« war ein lustiges Wort, bei dem er an riesige Ameisen aus einem Schwarz-Weiß-Film denken musste, den er einmal mit seinem V ater gesehen hatte.
Was mit Ameisen wohl in einer Mikrowelle geschehen würde? Wahrscheinlich würden sie nicht wachsen, sondern geröstet werden. Aber das wusste man erst, wenn man es ausprobiert hatte! Er streichelte den Mond in seiner Hand und stellte sich vor, wie die Ameisen wie Maiskörner zerplatzten. Irgendwo in seinem Kopf geisterte ein Gedanke herum – es hatte etwas mit Rückwärtsdenken zu tun. Aber er bekam ihn nicht zu fassen. Darüber nachzudenken machte einfach keinen Spaß.
Als Manx einstieg, lächelte Wayne bereits
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