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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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sich ernsthaft verlieben könnte, dazu war er ihr zu selbstverliebt und auch ein wenig zu eingebildet, aber jemand, in dessen Begleitung man sich nicht zu schämen brauchte. Sie konnte ihn sich gut bei einem Pokerspiel in feiner Gesellschaft vorstellen, bei einer privaten Gesellschaft oder einem Empfang, und musste schmunzeln, als sie daran dachte, wie er wohl in einem abgelegenen Goldgräber- oder Holzfällernest auf die Männer wirken würde. Beim Gedanken daran, wie der vornehme Mann einen verrauchten Saloon betrat und sich anschickte, einigen rauen Kerlen ihre Ersparnisse abzunehmen, musste sie schmunzeln. Wenn er Schusswaffen tatsächlich verabscheute und dort bestehen wollte, musste er über andere Talente verfügen, die sie noch nicht kannte.
    »Sie haben dem Officer erzählt, Sie handeln mit Grundstücken.«
    »Eine kleine Notlüge.« Er zog einen Zigarillo aus seiner Brusttasche, steckte ihn an und paffte genüsslich. »Natürlich gibt es Mitspieler, die ihr Haus oder einen anderen Besitz einsetzen, und ich muss dann sehen, wie ich es einigermaßen gewinnbringend wieder loswerde, falls ich gewinne. Ansonsten sind mir Grundstücksgeschäfte zuwider. Ich habe nicht mal selbst ein Haus.«
    »Sie sind immer unterwegs?«
    »Ein rastloser Wanderer«, antwortete er lächelnd.
    Während sie zum Zug zurückkehrten, die Köpfe gegen den treibenden Schnee gesenkt, kamen ihr die Worte des Spielers wieder in den Sinn. Eine »rastlose Wanderin« war sie ebenfalls. Ohne feste Bleibe, auch wenn es nur ein winziges Zimmer unter dem Dach gewesen war, seit mehreren Stunden und wohl auch die nächsten Tage ständig auf Achse und ohne ein bestimmtes Ziel. Würde sie jemals wieder ein Zuhause haben und sorgenfrei leben können? Oder würde sie die nächsten Jahre in einem Gefängnis verbringen?
    Sie saßen bereits auf ihren Plätzen, als zwei Männer den Zug bestiegen. Junge Kerle in ihrem Alter, beide mit Gewehren und Schneeschuhen über den Schultern. Der größere der beiden, ein hagerer Bursche mit grauen Augen, trug eine gefütterte Holzfällerjacke über seiner Baumwollhose, der andere, ein untersetzter Bursche mit einem eingefrorenen Grinsen im Gesicht, schien kaum die Last seines Pelzmantels tragen zu können. Vor allem wegen der zahlreichen Wolfsfelle, die sie bei sich trugen, erregten sie die Aufmerksamkeit aller anderen Passagiere. »Wolfsjäger«, hörte Clarissa jemand flüstern.
    »Mir reicht es erst einmal«, freute sich der Hagere. Er legte seine Schneeschuhe und die Felle auf die Gepäckablage und ließ sich auf eine freie Sitzbank fallen. Das Gewehr lehnte er gegen die Wand. »Höchste Zeit, dass wir unseren Lohn kassieren und mal wieder ordentlich einen draufmachen.«
    Der Untersetzte verstaute ebenfalls seine Sachen und hockte sich mit dem Gewehr zwischen den Knien neben ihn. »Das kannst du laut sagen. Ich hab beinahe schon vergessen, wie eine Frau aussieht.« Er rieb seine kalten Hände gegeneinander. »Wenn der Job nicht so viel einbringen würde, wäre ich schon vor zwei Wochen umgekehrt.« Er nahm seine Pelzmütze ab und fuhr sich durch die struppigen Haare. »Meinst du, Betty-Sue hat auf mich gewartet?«
    »Betty-Sue? Die Kleine aus dem Eisenwarenladen?« Der Hagere grinste ihn von der Seite an. »Wenn sie schlau ist, hat sie sich den Sohn des Bürgermeisters geangelt. Der hat drei Mal so viel Geld wie du und sieht besser aus.«
    »Harold ›Big Ears‹ Ledbetter? Was will sie denn mit dem?«
    »Harold erbt die Fabrik von seinem Vater. Die ist ein Vermögen wert.«
    Der Untersetzte ließ sich seine gute Laune nicht verderben. »Und wenn schon. Ich hab jetzt auch Geld. Was meinst du, wie viele Felle haben wir?«
    »Vierzehn, den Kojoten nicht mitgerechnet.«
    »Die bringen reichlich Geld. Nicht für ’ne Fabrik, aber genug, um Betty-Sue zum Essen auszuführen und ihr eins von den schönen Kleidern zu schenken, die im General Store im Fenster liegen. Vielleicht haben sie sogar was von der Schokolade vorrätig, die sie manchmal aus Vancouver bekommen.«
    »Ich bring mein Geld auf die Bank«, sagte der Hagere. »Der Boss will mir eine kleine Herde zum Sonderpreis geben, falls ich mir eine eigene Ranch zulege. In Kamloops unten soll es noch billiges Land geben, da gehe ich hin.«
    Der Zug fuhr aus dem Bahnhof. Vor den Fenstern vermischte sich der Rauch, der von der Lokomotive nach hinten wehte, mit den wirbelnden Flocken, die immer noch die Luft erfüllten, und sie hörten nur an dem veränderten Geräusch,

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