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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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das die Räder verursachten, dass sie über die Brücke fuhren. Nur einmal, als der Wind in die Wolken blies, konnten sie den Fraser River sehen. Am Thompson River entlang ging es in die Wildnis, die bereits vor beinahe fünfzig Jahren eine Herausforderung für die Goldsucher gewesen war. Schroffe Berggipfel ragten über zerfurchten Tälern auf, dichte Fichtenwälder dehnten sich nach allen Seiten, nur unterbrochen von dem Fluss, der ähnlich wie der Fraser an manchen Stellen überraschend zahm war und sich in den engen Canyons mit wirbelnden Stromstellen durch sein felsiges Bett stürzte.
    Clarissa merkte, wie sich der Untersetzte alle paar Minuten umdrehte und neugierig in ihre Richtung blickte. Nur die Anwesenheit des Spielers hielt ihn anscheinend davon ab, sie anzusprechen. Sie wandte sich von ihm ab und blickte aus dem Fenster. Überrascht stellte sie fest, dass das Schneetreiben etwas nachgelassen hatte und sie sogar das jenseitige Ufer des Flusses erkennen konnte. Nur noch wie ein durchsichtiger Schleier wirbelten die Flocken vom Himmel herab, zumindest in den Schluchten, wo der Wind nicht so stark blies.
    Sie hatte schon von Wolfsjägern gehört. Ehemalige Fallensteller, die glaubten, damit leichtes Geld verdienen zu können, und junge Draufgänger wie die beiden, die als mutige Abenteurer beeindrucken und ebenfalls ihre Taschen füllen wollten. Die meisten Rancher hassten Wölfe, weil die Tiere vor allem junge Rinder rissen, wenn sie Hunger hatten und kein Wild mehr in den Wäldern fanden. Sie bezahlten die Wolfsjäger nach erlegten Tieren und verlangten die Felle als Beweis. Das ausgesetzte Kopfgeld lockte Abenteurer von überallher an, die mehr Wölfe töteten als nötig und weit in die Wildnis vordrangen, um möglichst viele Felle abzuliefern. Eine grausame Entscheidung, wie Clarissa fand. Aus irgendeinem Grund mochte sie Wölfe, vielleicht weil ihr ein indianischer Fischer, ein Freund ihres Vaters, so viele Geschichten über sie erzählt hatte. In den Legenden waren Wölfe keine grausamen Bestien wie in den Märchen der Weißen, sondern eher geheimnisvolle Wesen, die manchmal sogar menschliche Charakterzüge trugen und mit dem Großen Geist in Verbindung standen. Kein Krieger tötete einen Wolf.
    »Hey, Pete!«, rief der Untersetzte plötzlich. Er sprang auf und deutete aufgeregt aus dem Fenster. »Nun sieh dir das an! Da oben, auf dem Hügelkamm! Siehst du den Schatten? Ich will verdammt sein, wenn das kein Wolf ist!«
    Der Hagere folgte seinem Blick und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. »Du hast recht! Das ist ein Wolf, ein verdammter Wolf! Den haben wir wohl übersehen!« Er rückte näher ans Fenster heran und verfolgte den Schatten mit abschätzenden Blicken. Nach einer Weile drehte er sich grinsend um. »Was meinst du? Ob wir den aus dem fahrenden Zug treffen? Die Büffel sollen sie früher auch aus Zügen abgeknallt haben.« Er griff nach seinem Gewehr. »Ein Dollar, dass ich ihn mit dem ersten Schuss treffe!«
    »Und ich sage, dass du danebenschießt. Danach bin ich dran.«
    »Abgemacht!«, schlug Pete zufrieden ein. Er schob das Fenster hoch und wich vor dem böigen Wind zurück, der stärker als erwartet ins Innere des Wagens blies und eisige Kälte verbreitete. Mit dem Wind wirbelten Schneeflocken herein. Obwohl es bergauf ging, und der Zug relativ langsam fuhr, flog einer älteren Dame der Hut vom Kopf und wehte gegen die Verbindungstür. Sie griff sich erschrocken an den Kopf. Ihr Ehemann legte rasch beide Arme um sie und zog sie schützend zu sich heran. »Machen Sie sofort das Fenster zu!«, schimpfte er laut. »Sehen Sie den nicht, was Sie anrichten?«
    »Was soll der Blödsinn?«, schimpfte ein junger Mann.
    »Immer mit der Ruhe«, antwortete der Hagere. »Dauert nur einen Augenblick! Sobald ich die Bestie erwischt habe, sitzen Sie wieder im Trockenen!«
    Clarissa war aufgesprungen. Sie wechselte einen raschen Blick mit Ralston, der aber keine Anstalten machte, den Wolfsjäger am Schuss zu hindern, und schüttelte wütend seine Hand ab, als er sie zurückhalten wollte. »Aufhören! Sofort aufhören!«, fuhr sie die Männer an. »Machen Sie das Fenster zu!«
    »Dauert nur ein paar Sekunden, Miss!«, erwiderte der Untersetzte.
    »Was soll das? Haben Sie nicht genug Wölfe getötet?«
    »Nicht aus einem fahrenden Zug, Miss!«
    Sie lief gebückt in den kalten Wind, der ihr durch den Gang entgegenwehte, und hangelte sich an den Sitzlehnen zu den Männern vor. Neben dem

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