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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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reichen Familien, von denen sie gehört hatte, war es der Sohn, der jede Fairness vermissen ließ. Ausgerechnet Frank Whittler, der weder etwas dafür konnte, dass er in eine reiche Familie hineingeboren worden war, noch irgendetwas geleistet hatte, was ihn dazu berechtigte, ein Dienstmädchen wie eine Sklavin zu behandeln – wobei sowieso niemand je das Recht dazu haben sollte. Sie konnte sich glücklich schätzen, ihm entkommen zu sein. Er hätte sie vergewaltigt, wenn sie sich nicht verteidigt hätte, und niemand hätte etwas gegen ihn unternommen, wenn sie ihn angezeigt hätte; im Gegenteil, man hätte sie wegen übler Nachrede verurteilt und sie als »leichtes Mädchen« beschimpft. Ihr wäre nur die Flucht geblieben, so wie jetzt, nur dass Frank Whittler sie wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht bringen würde, falls er sie jemals erwischte.
    Sie starrte in das Schneetreiben hinaus. Ihr war klar, dass sie noch lange nicht in Sicherheit war. So schnell würde Frank Whittler nicht aufgeben. Gerade ein arroganter und hochnäsiger Mann wie er würde es sich niemals gefallen lassen, von einem einfachen Dienstmädchen gedemütigt zu werden. Er würde alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zu finden, und sein Vater würde ihm dabei helfen. Selbst wenn Thomas Whittler ahnte, dass sein Sohn der eigentlich Schuldige war, würde er seine Beziehungen spielen lassen, um sie zu aufzuspüren, und wahrscheinlich auch vor Gericht gegen sie aussagen. Wenn es darauf ankam, hielten diese reichen Familien zusammen.
    Die Tür ging auf, und der Schaffner betrat den Wagen. Wie der Polizist, der sie an der Seite des Spielers gesehen hatte, schöpfte auch er keinen Verdacht. Solange es kein Foto und keine bessere Beschreibung von ihr gab, war sie relativ sicher. Leider würde es nicht mehr lange dauern, bis die Whittlers eine genauere Beschreibung von ihr an die Polizeidienststellen telegrafiert hatten, und sobald sie darauf kamen, dass sie sich in dem Zug versteckt haben könnte, würde man auch die Angestellten der Canadian Pacific informieren.
    »Zwei Tickets nach Calgary«, verlangte der Spieler, »für meine Verlobte und mich.« Sein Lächeln sollte wohl ausdrücken, wie stolz er auf seine zukünftige Frau war. Er nahm den Zigarillo aus dem Mund. »Der Winter kommt zeitig dieses Jahr, was? So ein Schneetreiben hab ich lange nicht erlebt.«
    »Dann warten Sie mal, bis wir in die Berge kommen, da liegt der Schnee schon einen Meter hoch.« Der Schaffner erwiderte sein Lächeln und gab ihm die Tickets. »Ich hoffe, Sie haben noch etwas Zeit bis zur Hochzeit. Könnte sein, dass wir Verspätung bekommen. Letzte Woche war es ein halber Tag.«
    »Zur Not müssen Sie uns eben trauen«, sagte der Spieler. »Wäre mal was Neues, eine Hochzeit auf Rädern.« Er bezahlte und steckte die Tickets ein.
    Clarissa wartete, bis der Schaffner den Wagen verlassen hatte. Erst dann entspannte sie sich einigermaßen und zog den Beutel mit ihrem Gesparten aus der Manteltasche. Sie zählte ihm den Betrag in die Hand. »Warum Calgary?«, wollte sie wissen. »Meinen Sie, dort bin ich sicher vor Frank Whittler?«
    »Vor ihm sind Sie nirgendwo in Kanada sicher.« Er steckte das Geld ein. »Aber ich fahre nach Calgary, und es hätte nicht gerade überzeugend geklungen, wenn meine Verlobte woandershin gefahren wäre. Wenn ich Sie wäre, würde ich in die Staaten gehen, nach Montana oder Idaho. So weit reicht auch der Arm der Whittlers nicht.« Er nahm seinen Zigarillo aus dem Mund und deutete ein Lächeln an. »Es sei denn, Sie wollen mich tatsächlich heiraten …«
    »Einen Spieler, der rastlos durch die Lande zieht?«
    »Einen Gentleman«, verbesserte er.
    Clarissa lehnte sich amüsiert zurück und schloss die Augen. Sie war dem Mann dankbar, immerhin hatte er sie vor dem Gefängnis bewahrt. Sie fand ihn sogar sympathisch, wenn sie elegant gekleidete Männer wie ihn auch mit Vorsicht genoss. Die meisten waren entweder arrogant und eingebildet und hielten sich für etwas Besseres wie Frank Whittler, oder sie waren so eitel und selbstverliebt, dass sie gar nicht zu einer aufrichtigen Beziehung fähig waren. Sam Ralston war ein besonderer Fall. Auch eitel, auch selbstverliebt, vielleicht sogar ein wenig arrogant, aber ein Spieler wie er, der sich beim Pokern ständig verstellen musste, spielte einem auch im wahren Leben etwas vor, und man wusste nie genau, was man von ihm erwarten durfte. War er ehrlich zu ihr? Half er ihr tatsächlich nur, um sich an

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