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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Meer gefolgt. Clarissa war unterwegs gewesen und hatte nach ihrer Rückkehr mit anderen Fischern stundenlang nach ihr gesucht. Sie hatten sie nicht gefunden. Vielleicht war es besser so, und sie war jetzt wieder mit ihrem Mann vereint, so wie der Mann und die Frau in der Indianerlegende, die beide ertranken und als Wale wiedergeboren wurden. Die Vorstellung, dass ihre Eltern zu Walen geworden sein könnten, beruhigte sie seltsamerweise.
    Wie jedes Mal, wenn sie um ihre Eltern trauerte, sprach sie ein kurzes Gebet und beendete es mit den Worten »Gott schütze euch!«. Der Wind antwortete mit einem leisen Seufzen, als hätte er sie verstanden. Sie wandte sich ab und kehrte langsam zum Haus zurück. Seit dem Tod ihrer Mutter arbeitete sie als Dienstmädchen für eine wohlhabende Familie, die ihren Reichtum wie die meisten Familien im West End mit der Eisenbahn verdient hatte. Thomas Whittler war einer der führenden Manager der Canadian Pacific und hatte schon früh gewusst, dann man den Endpunkt der Transatlantik-Eisenbahn nicht nach Port Moody, sondern an die Küste legen und dort eine neue Stadt gründen würde. Noch bevor Vancouver vor neun Jahren auf der Landkarte erschienen war, hatte er sich mehrere wertvolle Grundstücke gesichert. Seine Frau Louise und er besaßen mehr Geld als Königin Victoria im fernen England, behaupteten manche.
    Die Whittlers wohnten in einer zweistöckigen Villa in der Broughton Street. Zwei Giebeldächer erweckten den Eindruck, als hätte man zwei Häuser ineinandergebaut und so verschachtelt, dass sie noch größer und eindrucksvoller wirkten. Eine kiesbedeckte Auffahrt führte durch den gepflegten Garten zum Haus, dessen Wände bis zum ersten Stock türkisfarben und im zweiten Stock unter einem der beiden Dächer blassgelb gestrichen waren. Eine breite Veranda, von schlanken Säulen und einem kunstvoll gedrechselten Holzzaun umgeben, zog sich auf der Vorder- und der Südseite um das Erdgeschoss. Unter einem kleinen Giebeldach führte eine Treppe zum Eingang.
    Clarissa ging durch den Dienstboteneingang auf der Rückseite und stieg die steile Treppe zu ihrem Zimmer unter dem Dach empor. Es war kaum größer als die Abstellkammer zwei Türen weiter und lag neben der ebenfalls winzigen Kammer der Köchin, die nachts laut schnarchte und ihr schon manches Mal den Schlaf geraubt hatte. Viel machte es nicht her. Das einfache Bett ließ gerade mal Platz für den Schrank, in dem ihre gesamte Habe untergebracht war, und einen kleinen Tisch mit Stuhl. Auf dem Tisch stand eine Öllampe, elektrisches Licht gab es nur im Erdgeschoss und im ersten Stock.
    Im Mantel, weil es unter dem Dach auch keinen Ofen gab und sich die Wärme, die vom Kamin, der direkt neben ihrem Zimmer zum Dach führte, nur langsam in ihrem Zimmer ausbreitete, trat sie ans Fenster. Aus dem leichten Nieseln war stetiger Regen geworden, der gegen das Fenster und in unregelmäßigem Rhythmus auf das Giebeldach schlug. Das Meer sah sie kaum und erkannte die Bäume im Stanley Park nur als dunkle Schatten. Bei schönem Wetter konnte sie, wenn sie ihr Fenster öffnete und sich weit hinausbeugte, sogar die schneebedeckten Gipfel der Coast Mountains sehen, ein Anblick, der sie immer wieder begeisterte und eine unerklärliche Sehnsucht in ihr weckte: Vancouver hinter sich zu lassen und nach Norden in die Wildnis zu ziehen, fernab des großstädtischen Trubels und weit entfernt von reichen Familien wie den Whittlers, die ihren einzigen Lebensinhalt darin sahen, Reichtum anzuhäufen und Gesellschaften für andere Reiche zu geben.
    Sobald sie genug Geld gespart hatte, würde sie kündigen und einen Neuanfang wagen. Ob sie es wagte, in die Wildnis zu gehen und in einem dieser winzigen Dörfer abseits der befahrenen Wagenstraßen zu leben, wusste sie noch nicht. Eine Zeitlang hatte sie daran gedacht, zu ihrem Onkel zu ziehen und ihm auf der Farm zu helfen. Als Kind war sie einige Male bei ihm gewesen, hatte ihm bei der Ernte geholfen und jede freie Minute damit verbracht, auf Morning Star über die Hügel zu reiten. »Morning Star« war der etwas hochtrabende Name des stämmigen Wagenpferdes, auf dem sie reiten gelernt hatte. Doch die Wildnis jenseits der geschäftigen Siedlungen am Schienenstrang lockte sie noch stärker, vielleicht weil sie das genaue Gegenteil von dem Meer war, das sie bis zu ihrem Lebensende an den tragischen Tod ihrer Eltern erinnern würde, ihr aber gleichzeitig die Hoffnung vermittelte, sich dort ebenso frei und

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