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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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W., der strenge Vorarbeiter und Polizist, den sie im Holzfällercamp kennengelernt hatte, kam ihr zuvor. Wie aus dem Nichts tauchte er auf und beugte sich kopfschüttelnd über den benommenen Fallensteller. »Ich wusste doch, dass es heute Abend wieder Ärger geben würde.« Er sah Clarissa im Schein der Lampe vor dem Saloon stehen und zuckte die Achseln. »Ich muss ihn einsperren, Miss. Drei Tage und drei Nächte wegen Ruhestörung und Beschädigung fremden Eigentums. Wenn er die Scheibe nicht bezahlen kann, auch noch länger. Wenn Sie ihm was Gutes tun wollen, bringen Sie ihm morgen Mittag was zu essen vorbei. Das Essen, das ich ihm gebe, würde ich nicht mal meinen Hunden vorsetzen.«
    Clarissa beobachtete fassungslos, wie C. W. den Fallensteller am Kragen packte und ihn über die Straße zum Gefängnis schob. Weder der Polizist noch Alex sprachen ein Wort, und auch ihr war die Lust am Reden gründlich vergangen. Sie hätte ihm nicht nachlaufen sollen. Sie hätte auf keinen Fall den Saloon betreten dürfen. Sie hatte sich wie eine eifersüchtige Ehefrau benommen, obwohl sie weder verlobt noch verheiratet waren und er ihr nicht das Geringste schuldig war. Sie war eine hysterische dumme eifersüchtige Kuh!
    Mit der Überzeugung, einen der größten Fehler ihres Lebens begangen zu haben, und den Augen voller Tränen kehrte sie zur Witwe Barnes zurück.

21
    Ohne der Witwe Barnes gute Nacht zu sagen, verschwand Clarissa in ihrem Zimmer. Die Kunde von ihrem peinlichen Auftritt im Saloon war ihr bereits vorausgeeilt, und sie schämte sich, vor der Witwe, den wenigen Gästen, die noch an den Tischen saßen, und vor sich selbst. Erschöpft schloss sie sich ein und blieb minutenlang auf der Bettkante sitzen, abwechselnd heulend und fluchend und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Als wäre sie in einem schrecklichen Traum gefangen, der kein Ende nahm.
    Als die Witwe an ihre Tür klopfte, reagierte sie nicht. Auch die Aufforderung, die Tür zu öffnen und sich bei einem heißen Tee zu erholen, überhörte sie. Sie wollte allein sein, mit ihrem Kummer und ihrem Schmerz, erst einmal über alles schlafen und die Enttäuschung verdauen, bevor sie anderen Menschen unter die Augen trat. Doch sie fand kaum Schlaf in dieser Nacht. Zum einen, weil sie den ganzen Tag geschlafen hatte, aber auch, weil der Lärm auf der Straße nicht verebbte und sie die schrägen Töne des Walzenklaviers trotz des geschlossenen Fensters bis in ihr Zimmer hörte. Jeder dritte Song war »Yankee Doodle«, und sie wäre am liebsten noch einmal in den Saloon gestürmt und hätte einen oder mehrere Bierkrüge gegen den lästigen Musikautomat geworfen.
    Sie hatte das Gefühl, von dem Walzenklavier verspottet zu werden, als hätten die Männer eine bestimmte Walze eingelegt, um sich über sie lustig zu machen. Jedes Grölen, jedes Lachen, alle lauten Stimmen bezog sie auf sich, in der festen Überzeugung, dass sich die Holzfäller noch immer über ihre Auseinandersetzung mit dem Fallensteller und ihren albernen Disput mit der grell geschminkten Ruby amüsierten. Dass die Männer den Vorfall schon längst abgehakt hatten und bis auf wenige Ausnahmen so betrunken waren, dass sie ganz andere Probleme hatten, ahnte sie nicht. Lediglich einmal, als erneut Glas splitterte und, wie sie später erfuhr, ein Bierkrug durch das zweite Fenster geflogen kam, stand sie auf und blickte auf die Straße hinunter, beobachtete mit einer gewissen Abscheu, wie der Polizist auch den hünenhaften Colby ins Gefängnis führte. »Wilde! Ihr seid Wilde!«, flüsterte sie wütend.
    Noch mehr ärgerte sie allerdings, dass sie Alex nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte. Nach der Schlägerei im Saloon und dem Techtelmechtel mit dem leichten Mädchen hatte sie gehofft, so wütend auf ihn zu sein, dass es ihr nicht schwerfallen würde, ihn zu vergessen, doch das Gegenteil war der Fall. Sie hatte noch immer sein jungenhaftes Lächeln vor sich, hörte seine spöttischen, aber liebevollen Bemerkungen, spürte die sanfte Berührung seiner Hände und dieses wundervolle Gefühl, wenn er sie umarmte und küsste und ihre Körper miteinander verschmolzen. Sie liebte ihn, daran hatte nicht einmal der peinliche Kuss mit diesem leichten Mädchen etwas geändert, und sie erfand tausend Entschuldigungen für sein Benehmen. Alex hatte einen über den Durst getrunken, mehr nicht, so was musste man einem Mann wie ihm, der sein ganzes Leben in der Wildnis verbrachte, doch zugestehen. Sie hatte ihn

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