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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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mit ihrer Zuneigung verstört, und er bekam Angst vor seiner eigenen Courage. Er wollte ihr nicht zumuten, ihr Leben in der Wildnis zu vergeuden, und wollte es ihr leichter machen, sich von ihm zu trennen und ihn zu vergessen. Er liebte sie so sehr, wie sie ihn liebte, und erschrak vor seinen eigenen Gefühlen.
    Noch bevor sie sich am nächsten Morgen in der Waschschüssel auf der Kommode wusch, blickte sie aus dem Fenster und sah die Straße wieder einsam unter dem basaltfarbenen Himmel liegen. Als wären die Holzfäller nie in der Stadt gewesen, als hätte es die letzte Nacht gar nicht gegeben. Es schneite wieder, und eine leichte Schneedecke hatte sich über die Hausdächer und den gefrorenen Schlamm auf der Straße gelegt, die die Stadt ungewöhnlich sauber und rein erscheinen ließ. Aus einigen Schornsteinen kräuselte Rauch, und aus der Schmiede drang bereits das rhythmische Hämmern.
    Die Tür des Saloons war verschlossen, die zersplitterten Fenster hatte man mit Brettern vernagelt. Vor dem Gefängnis, das gleichzeitig sein Büro war, stand C. W. im Schnee und rauchte einen Zigarillo, scheinbar unempfindlich gegen die schneidende Kälte, die von Norden herangezogen war. Anscheinend ließ er seinen Vertreter die Arbeit im Holzfällercamp erledigen und kümmerte sich stattdessen um seine beiden Gefangenen. Er hielt ein Gewehr in der Hand, wie die Sheriffs auf den Titelbildern der Buffalo-Bill-Romane, und blinzelte misstrauisch in den fallenden Schnee. Als sein Blick zum Haus der Witwe hinaufwanderte, entfernte sich Clarissa rasch vom Fenster.
    Angezogen und zurechtgemacht ging sie nach unten. Im Gastraum saßen einige Leute aus der Stadt, die ihr Frühstück regelmäßig im Lumberjack Café einnahmen, weil die Witwe Barnes den besten Kaffee kochte und das beste Brot buk, und sie machte sich sofort an die Arbeit. Mit einer Schürze vor dem schwarzen Rock bediente und kassierte sie, und erst, als die letzten Gäste gegangen waren, nahm sie das Angebot der Witwe an und gönnte sich auch etwas Rührei mit Brot und eine Tasse schwarzen Tee, den die Witwe Barnes auch für sich kochte. Die Eier stammten von den Hühnern im Stall hinter dem Haus, eine seltene Delikatesse in dieser Wildnis.
    »Die ganze Stadt lacht über mich«, sagte Clarissa, nachdem sie lange geschwiegen hatte. »Haben Sie den Ladenbesitzer und seine Frau gesehen? Die haben doch bestimmt gehört, was ich für eine Dummheit angestellt habe.«
    »Ach was, Schätzchen, das bilden Sie sich ein!« Die Witwe hatte sich eine Tasse Tee eingeschenkt und setzte sich zu ihr. »Die sind doch nur so fröhlich, weil ich Ihnen gestern ein teures Kleid abgekauft habe. Zehn Prozent Rabatt haben sie mir gegeben und wahrscheinlich hundert verdient.« Sie lachte. »Nun ja, dafür haben sie heute zwei Eier und etwas Kaffee mehr bekommen.«
    »Ich hab mich wie ein dummes Schulmädchen benommen!«
    »Und wenn schon? Sie tragen Ihr Herz eben auf der Zunge und lassen den Männern nicht alles durchgehen. Ich wollte, ich wäre bei meinem Jimmy damals genauso konsequent gewesen, dann hätte ich vielleicht Schlimmeres verhindert.« Sie nippte an ihrem Tee und seufzte leise. »Leider hab ich das alles kommen sehen. Alex ist ein herzensguter Bursche, ich kenne keinen besseren, aber wenn er unter seinesgleichen ist und ein oder zwei Biere zu viel getrunken hat, ist er manchmal nicht zu halten. Dann benimmt er sich wie ein kleiner Junge auf dem Schulhof … So wie die meisten Männer in diesem Nest.«
    »Aber Schuljungen küssen keine leichten Mädchen!«
    Die Witwe nahm einen Schluck Tee und zuckte die Achseln. »Nehmen Sie sich den blöden Kuss nicht so zu Herzen, Schätzchen. Der war harmlos und bedeutet nicht das Geringste. Ich weiß, im Augenblick tut es weh, und ich kann gut verstehen, dass Sie dieser Ruby ordentlich eins verpasst haben, aber in ein paar Tagen haben Sie das alles schon wieder vergessen, glauben Sie mir. Ich hatte als junge Frau alle paar Wochen den großen Liebeskummer und dachte jedes Mal, jetzt müsste ich mich kopfüber in den Fraser stürzen.«
    »Aber Sie haben es nie getan.«
    Die Witwe lachte. »Das wäre ja noch schöner. Ich stürze mich doch wegen eines Kerls nicht ins Unglück. Einmal, ein paar Jahre, bevor ich meinen Jimmy kennenlernte, hab ich so ähnlich reagiert wie Sie. Ich war einem Handelsreisenden auf den Leim gegangen, einem Vertreter, der Strumpfbänder an die Gemischtwarenläden verkaufte und mir so lange schöne Augen machte und mir ein

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