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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Zeit, dass Sie selbst was in den Magen bekommen. Nehmen Sie sich was von dem Elcheintopf, und legen Sie eine Pause ein.«
    Clarissa schüttelte den Kopf. »Alex«, brachte sie mühsam hervor. »Alex war bei den leichten Mädchen, sagen die Holzfäller. Und jetzt … Jetzt ist er wahrscheinlich im Saloon und prügelt sich mit diesem Colby.« Sie spürte Tränen in ihren Augen. »Und ich dachte, er liebt mich und …« Sie blickte die Witwe fragend an. »Warum tut er so was, Witwe Barnes? Gestern hat er mir noch gesagt, dass er mich immer lieben wird, oder hab ich das nur geträumt?«
    »Sie dürfen nicht alles auf die Goldwaage legen, was die Holzfäller erzählen, Schätzchen!« Die Witwe legte einen Arm um sie und führte sie ins Wohnzimmer. »Selbst wenn es stimmen sollte … Alex ist ein Mann! Ein wilder Bursche, der die meiste Zeit seines Lebens im Busch verbracht hat. Wenn man ständig nur einen Haufen Bäume und wilde Tiere um sich hat, muss man sich irgendwann mal abreagieren. Regen Sie sich nicht auf, wenn er mal über die Stränge schlägt, das ändert bestimmt nichts an seiner Zuneigung für Sie.«
    »Ich dachte … Ich wollte …«
    »Jetzt setzen Sie sich erst mal und ruhen sich aus.« Die Witwe drückte sie in einen Sessel und lächelte aufmunternd. »Ich bringe Ihnen einen Teller von dem Elcheintopf und einen Tee, dann sieht die Welt gleich ganz anders aus.«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Natürlich haben Sie Hunger. Ich bin gleich wieder da.«
    Der Elcheintopf schmeckte köstlich, doch schon nach wenigen Bissen hielt sie es nicht länger aus. Sie sprang auf, zog ihre Winterjacke und die Stiefel an, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen und lief zur Tür.
    »Machen Sie keine Dummheiten, Schätzchen!«, rief ihr die Witwe nach.
    Doch Clarissa war bereits draußen und hörte sie nicht mehr. Mit entschlossenen Schritten überquerte sie die Straße und marschierte zum Saloon. Die beiden leichten Mädchen, die in ihren Pelzmänteln vor dem Bird Cage standen und sie mit einer dummen Bemerkung aufzogen, stieß sie unwirsch beiseite. »Ihr solltet euch schämen!«, fuhr sie die lachenden Mädchen an.
    »Nun sieh sich einer die an!«, lästerte eine der beiden, eine fette Blonde, nicht älter als achtzehn und mit einem Zigarillo zwischen den Lippen. »Ist kaum in der Stadt und spielt sich schon als Moralapostel auf.« Sie nahm den Zigarillo aus dem Mund und blickte Clarissa nach. »Bist du von der Heilsarmee? Oder hast du Angst, dass wir dir die Männer wegnehmen, Schätzchen?«
    Die andere, nicht viel älter und gertenschlank und ausgezehrt, wahrscheinlich vom Opium, das sie vom chinesischen Wäscher zwei Häuser weiter bekam, hustete stark. »Verdirb uns bloß nicht die Preise, du kleine Angeberin!«, rief sie.
    Clarissa hörte gar nicht hin. Sie hatte bereits den Saloon erreicht und war so von der Idee besessen, die Wahrheit über Alex herauszufinden, dass sie nicht einmal den Betrunkenen wahrnahm, der aus der Kneipe getorkelt kam, sich bei ihrem Anblick in obszöner Weise zwischen die Beine griff und etwas Unverständliches lallte. Einen bellenden Hund ignorierte sie ebenfalls. Zitternd vor Aufregung blieb sie vor dem großen Fenster stehen und blickte in den Saloon.
    Im ersten Moment sah sie gar nichts. Dichter Qualm füllte den Raum aus und ließ sie die Männer nur vage erkennen. Laute Stimmen und derbes Lachen, das Klirren von Gläsern und das Hämmern des Walzenklaviers, das in schrägen Tönen den »Yankee Doodle« nachempfand, schlugen ihr entgegen. Das helle Kichern einer jungen Frau stach aus dem Lärm heraus, und die Vorstellung, sie könnte bei Alex auf dem Schoß sitzen, an seinem Ohr knabbern oder was solche Frauen sonst taten, wenn sie einen Mann dazu bewegen wollten, mit ihnen aufs Zimmer zu gehen, versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Bei den Seeleuten in Vancouver hatte sie mitbekommen, mit welchen schmutzigen Tricks diese Tanzhallenmädchen arbeiteten, wie raffiniert sie vorgingen, um einem Mann die letzten Dollar aus den Taschen zu ziehen.
    War Alex so dumm und dreist, sich mit einer solchen Frau einzulassen? Nach allem, was sie zusammen erlebt hatten? Nach den heißen Küssen und Liebesschwüren, die sie in der Wildnis getauscht hatten? Oder war sie eine eifersüchtige Zicke, die einem Mann nicht das bisschen Spaß gönnte, das er sich nach vielen Monaten in der Wildnis redlich verdient hatte? Sie presste die Lippen zusammen. Wenn er sie wirklich liebte, brauchte er

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