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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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den Schnee aus den Kleidern, berührte die Kratzwunden an ihren Wangen und schob den Schal, der ihr heruntergerutscht war, wieder über die Nase. »Tut mir leid«, rief sie den Huskys zu, »mein Fehler! Ich hab nicht aufgepasst.« Sie war zu müde, sie war einfach zu müde und hatte nach der Überquerung der vereisten Ebene nicht mehr genügend Kraft, um weiterzufahren. Allmählich verlor sie ihre Konzentrationsfähigkeit und brauchte unbedingt eine längere Ruhepause, auch wenn sie damit riskierte, von Whittler und dem Indianer eingeholt zu werden.
    Aber nicht hier im Wald, wo es zu lange dauerte, bis der Schnee ihre Spuren zugedeckt hatte, und Whittler ein viel zu leichtes Spiel haben würde. Zu einfach wollte sie es ihm auch nicht machen. »Weiter!«, trieb sie die Hunde an. »Irgendwo finden wir schon ein Plätzchen! Nicht mehr so schnell, Billy!«
    Billy fiel es schwer, noch mehr Tempo aus seinen Bewegungen herauszunehmen, aber er gehorchte, und die anderen Hunde folgten ihm. In eher gemächlicher Gangart liefen sie durch den dunklen Wald, bis sie endlich wieder hinauskamen und sich plötzlich im Schatten eines gewaltigen Berges wiederfanden, der direkt vor ihnen aus dem Boden wuchs und bis in die Wolken zu ragen schien. Eine von zahlreichen Hügeln durchbrochene Ebene breitete sich vor ihnen aus, nicht so tückisch und windumtost wie das weite Tal, in dem sie vom Weg abgekommen waren, weil der Berg den Wind abhielt und sie relativ geschützt vor ihnen lag. Sie reichte weit in die Täler hinab und war in der Ferne von Wald umgeben, obwohl die dunklen Schatten, die man in dem Schneetreiben kaum zu erkennen vermochte, auch Felsen sein konnten.
    Clarissa überlegte kurz und entschloss sich, den fernen Waldrand anzusteuern. Sie wollte versuchen ihre Verfolger in die Irre zu führen, indem sie nicht im Schatten des Berges blieb, wo sie am sichersten war, sondern über die vereisten Hügel fuhr, um dann erneut zwischen den Bäumen unterzutauchen. Mit frischer Energie, weil sie jetzt ein Ziel vor Augen hatte, feuerte sie die Hunde an und rief: »Das schaffen wir noch, so müde bin ich nun auch wieder nicht! Wäre doch gelacht, wenn wir Frank Whittler nicht abhängen könnten!«
    Befreit rannten die Hunde los. Es tat ihnen gut, nicht mehr gebremst zu werden und im vollen Tempo über die windgeschützte Ebene zu laufen. Instinktiv wichen sie den vereisten Hügelkämmen aus. Schon nach wenigen Schritten hatten sie ihren gewohnten Rhythmus gefunden und rannten kraftvoll durch den knöcheltiefen Schnee. Clarissa, immer noch todmüde, aber von der Aussicht, bald ausruhen zu dürfen, neu motiviert, stand sicher auf dem Trittbrett und verteilte ihr Gewicht so geschickt, dass der Schlitten immer festen Halt hatte und die Kufen nicht abhoben. Lästig waren nur die wirbelnden Flocken, die ihr die Sicht erschwerten, sich aber gleichzeitig auf ihre Kufenspuren legten und sie gegen Frank Whittler und den Indianer schützten.
    Der Waldrand war weiter entfernt, als sie gedacht hatte, und sie brauchten fast zwei Stunden, um die andere Seite des Tales zu erreichen. Obwohl sie den Eindruck hatte, sich kaum von dem mächtigen Berg zu entfernen, zog sie eine scheinbar endlose Spur, die allerdings schon im nächsten Augenblick wieder unter dem fallenden Neuschnee verschwand und ihr das Gefühl gab, überhaupt nicht von der Stelle zu kommen. Nur an der bleiernen Müdigkeit, die sich jetzt wieder in ihrem Körper ausgebreitet hatte, merkte sie, wie viel Zeit vergangen war und wie dringend sie eine Ruhepause brauchte. Mit letzter Kraft steuerte sie den Waldrand an und hielt den Schlitten im Unterholz an.
    Sie hatte bisher nur wenige Nächte im Freien verbracht, als kleines Mädchen in einem Zelt auf der Ranch ihres Onkels, während eines nächtlichen Picknicks mit jungen Fischern am English Beach in Vancouver, aber nie unter diesen Bedingungen und schon gar nicht ohne ein wärmendes Feuer. Ein »kaltes Camp« nannte man so ein Lager, das wusste sie aus den Buffalo-Bill-Heften, die sie bei Alex in der Hütte gelesen hatte, weil man ohne ein Feuer keinen heißen Kaffee und keine warme Mahlzeit zu sich nehmen konnte. Buffalo Bill war öfter gezwungen gewesen, in einem kalten Camp zu übernachten, auf der Flucht vor feindlichen Indianern oder Banditen, aber keines seiner Camps war so kalt wie ihres in dieser Nacht gewesen. Selbst zwischen den Bäumen, abseits des heftigen Schneetreibens, herrschte frostige Kälte.
    »Hier bleiben wir ein paar

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