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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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hatten sich vor die Sonne geschoben. Auf der anderen Uferseite stand jemand im Schilf und blickte ihn durchdringend an.
    Es war Bale.
    Wasser rann an seinen Beinlingen herab, Seegras klebte in seinem tropfnassen Schopf. Sein Gesicht war grünlich und bleich wie das eines Ertrunkenen, die Augen glichen tiefdunklen Flecken. Zornig. Anklagend.
    Torak wollte ihn rufen, aber die Zunge klebte ihm am Gaumen fest und er brachte kein Wort heraus.
    Bale hob den nassen, tropfenden Arm und zeigte mit dem Finger auf ihn. Seine Lippen bewegten sich. Es kam kein Laut heraus, aber die Bedeutung war unmissverständlich. Deine Schuld.
    »Torak?«
    Der Bann war gebrochen. Torak wirbelte herum.
    »Ich habe dich schon ein paar Mal gerufen!«, sagte Renn dicht hinter ihm. Sie sah verärgert aus.
    Bale war verschwunden, nur das Schilf wiegte sich leise knisternd im Wind.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »N-nichts«, stotterte er.
    » Nichts? Du bist aschfahl.«
    Er schüttelte den Kopf und brachte es nicht über sich, ihr zu erzählen, was er gesehen hatte.
    Sie zuckte kurz und ein wenig verletzt die Achseln. »Na, von mir aus. Ich habe dir was zu essen gebracht.« Sie reichte ihm den Flachkuchen, der in ein Ampferblatt eingewickelt war, damit er warm blieb. »Du kannst ihn unterwegs essen.«

    Vom Kanu aus beobachtete Renn, wie Wolf zwischen den Bäumen dahinlief, hier die Schnauze hob, wenn er etwas witterte, dort im Gebüsch schnupperte. Er entdeckte auffallend viele Stellen, an denen der Eichenschamane Rast gemacht hatte. Thiazzi hatte es anscheinend nicht eilig, den Großen Wald zu erreichen. Renn machte sich Sorgen deswegen, auch wenn sie den anderen nichts davon sagte. Fin-Kedinn war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und Torak …
    Wenn er sich doch nur ein Mal umdrehen und mit ihr reden würde. Aber er saß nur abweisend und mit kerzengeradem Rücken vor ihr und suchte das Ufer nach Spuren von Thiazzi ab.
    Wütend stach sie das Paddel ins Wasser, dass es nur so aufspritzte. Er interessierte sich nur noch für diesen Eichenschamanen. Nicht einmal, dass Fin-Kedinn in Gefahr schwebte, kümmerte ihn.
    Schließlich hatten sie die Stromschnellen erreicht und legten an, um die Boote daran vorbeizutragen. Wolf trabte bereits zielbewusst den Schwarzwasserfluss entlang.
    »Wie weit ist es noch zum Großen Wald?«, fragte Torak, als sie das zweite Kanu wieder absetzten.
    »Ungefähr eine Tagesreise«, antwortete der Rabenanführer. »Vielleicht noch etwas länger.«
    Torak knirschte vernehmlich mit den Zähnen. »Wenn er erst einmal dort ist, werden wir ihn niemals finden.«
    »Wer weiß«, entgegnete Fin-Kedinn. »Er lässt sich eine Menge Zeit.«
    »Ich wüsste gern, warum er so trödelt«, sagte Renn. »Vielleicht lockt er uns in einen Hinterhalt. Jedenfalls kann es nicht mehr lange dauern, bis er bemerkt, dass wir ihn verfolgen.«
    Fin-Kedinn nickte, erwiderte jedoch nichts. Er war schon den ganzen Tag über ausgesprochen einsilbig und hatte kaum ein Wort gesagt. Manchmal verengten sich seine Augen zu Schlitzen, als weckte der Schwarzwasserfluss allzu einschneidende Erinnerungen.
    Auch Renn gefiel die Sache ganz und gar nicht. Sie kannte diesen Fluss nicht. Fin-Kedinn hatte die Raben noch nie zuvor hierher geführt, um am Ufer ihr Lager aufzuschlagen. Den Namen des Flusses fand sie jedoch sehr passend. Die dichten Bäume zu beiden Seiten warfen lange Schatten aufs Wasser, das obendrein so trübe war, dass man nirgendwo den Grund sehen konnte. Wenn sie sich vorbeugte und die Luft tief einsog, stieg ihr modriger Laubgeruch in die Nase.
    Als sie die Kanus wieder zu Wasser ließen, bestand Renn darauf, vorne zu sitzen. Sie hatte es gründlich satt, immer nur Toraks Rücken anzustarren und sich das Hirn zu zermartern, worüber er wohl nachdenken mochte. In jedem Fall hatte es mit Thiazzi zu tun. Was wollte er tun, wenn er ihn endlich gefunden hatte? Die Clangesetze verboten es, einen Mann ohne Vorwarnung zu töten, also musste er den Eichenschamanen wohl oder übel zum Kampf herausfordern. Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Torak war kräftig und ein geschickter Kämpfer, aber er war noch nicht einmal fünfzehn Sommer alt. Wie konnte er da den stärksten Mann des Waldes herausfordern?
    »Renn?«, sagte Torak so unerwartet, dass sie zusammenzuckte.
    Sie drehte sich um.
    »Wenn jemand schläft, kannst du dann sagen, ob er gerade träumt? Erkennst du es an seinem Gesicht?«
    Sie sah ihn argwöhnisch an. Er hatte das Kinn

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