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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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als ein Bär. Nicht einmal das Helle Tier griff ihn an. Was konnte da ein einziger Wolf gegen ihn ausrichten?
    Unschlüssig trabte Wolf auf dem Kamm hin und her und winselte dabei verzweifelt. Plötzlich spürte er den Boden leise erbeben und drehte aufmerksam die Ohren. Er lief zur Spitze des Kamms und sprang auf einen umgestürzten Stamm. Er witterte den Geruch der großen Beute, die wie ein Auerochse ist – aber nicht ganz.
    Er witterte, dass eine Herde dieser Nicht-Auerochsen im nächsten Tal weidete. Sie waren groß, aber scheu, obwohl sie gelegentlich auch übellaunig waren und sich nicht gerne jagen ließen, wie Wolf im vergangenen Dunkel erfahren hatte.
    Er rannte los, um sie zu finden.

    Die Stechpalmen rochen nach Staub und Spinnen. Ihre bedrohliche Gegenwart bedrückte Torak und saugte ihm den Atem aus der Brust wie der Wind den Rauch aus einem Unterschlupf.
    Allmählich dünnten die Stechpalmen aus und zwischen ihren kerzengeraden schwarzen Stämmen sah er ein rotes Feuer glimmen. Sofort zog er sein Messer. Als er näher kam, hörte er Flammen knistern und roch den Gestank von verbranntem Fleisch.
    Vorsichtig ging er hinter dem letzten Baum vor der Lichtung in Deckung. Als er die Stechpalme berührte, war ihre Rinde kalt wie Schiefer.
    Blaues Mondlicht lag auf dem Heiligen Hain, der ansonsten von den zerklüfteten Rücken der Berge verschattet war. Auf dem steinigen Boden glühte ein zusammengeharkter Glutkreis. Dahinter und halb durch den Rauchschleier verborgen, standen sich zwei mächtige Bäume gegenüber, deren höchste Äste sich wie Hände ineinanderwanden.
    Die Große Eiche kämpfte sich in einem ewigen Kampf himmelwärts. Ihr gewaltiger Stamm war zerfurcht wie ein Eisfluss, und im Zwielicht sah Torak verzerrte Rindengesichter, die ihn böse anstarrten. Keine Blätter umschmeichelten die Zweigkrallen der Eiche. Dämonen hatten sämtliche Knospen gefressen. Von einigen Ästen hingen allerdings kleine Bündel herab. Torak konnte nicht erkennen, worum es sich handelte, und er fürchtete sich davor, es herauszufinden.
    Die Große Eibe war unermesslich alt. Torak wusste es, denn er war in ihren tiefen grünen Seelen gewandert. Ihre knorrigen Glieder waren ausgeblichen und hatten den silbrigen Schimmer von Treibholz angenommen, aber darunter pulsierte saftiges Splintholz. Die allzeit wachsamen Zweige hatten Feuer und Flut überlebt, Blitze und Dürre. Die Wurzeln waren härter als Stein und hielten die Berge zurück. Die Große Eibe fürchtete nichts, nicht einmal die Dämonen.
    Ein Windhauch fegte plötzlich den Rauch beiseite und ließ die Flammen grell aufzucken. Torak erkannte, dass jemand einen Stab, an dem ein schmales schwarzes Gerippe hing, ins Herz des Feuers gebohrt hatte.
    Torak wurde übel. Er begriff nun, was an der Großen Eiche hing. Gerippe. Zu klein, um Menschen zu sein, und bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.
    Einen Jäger töten. Er erinnerte sich an die grausamen Opfer, die die Seelenesser in den Höhlen im Hohen Norden gebracht hatten. Er erinnerte sich daran, wie ihm Fin-Kedinn von bösen, lange zurückliegenden Zeiten erzählt hatte, als die Clans noch Jäger töteten, darunter auch Menschen.
    Das ist durch und durch böse, dachte er. Er spürte das Böse in der Luft: eine schwärende, Übelkeit erregende Krankheit, die langsam das Herz des Waldes verzehrte.
    Der Griff seines Messers war glitschig vor Schweiß. Es gab kein Zurück. Er musste den Schutz der Stechpalmen verlassen und Thiazzi finden.
    Gerade als er sich vom Baumstamm lösen wollte, erhob sich einer der Steine hinter dem Feuer, breitete die Arme aus und verwandelte sich in einen Mann.

Kapitel 17

    Der Schamane erhob sich direkt aus den Wurzeln des Heiligen Hains. Er trug einen Mantel aus wallender Pferdehaut und eine längliche geschnitzte Maske, die von einer Mähne aus Pferdeschweifen gekrönt war und auf die leuchtend rote Augen aufgemalt waren. Das aufgesperrte Maul war von schwarzen Federn gesäumt, die bei jedem Atemzug flatterten.
    Geisteratem, hatte Renn einmal zu Torak gesagt. Eine Maske ist ein Geistergesicht. Wenn man eine Maske aufsetzt, wird man zu diesem Geist. Die Federn zeigen, dass der Geist lebendig ist.
    Maske und Mantel wiesen ihn als den Schamanen der Waldpferde aus, auf der Brust trug er jedoch einen aus Eicheln und Misteln geflochtenen Kranz, die Zeichen seines eigentlichen Clans. An dem Kranz hing ein kleiner schwerer Beutel. Der Feueropal.
    Torak schob hinter der Stechpalme umständlich sein

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