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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Messer in die Scheide. Gegen eine solche Macht konnte es nichts ausrichten. Er streifte den Bogen von der Schulter und tastete im Köcher nach einem Pfeil. Sein Herz schlug so heftig, dass es wehtat. Er kam sich vor wie eine Maus, die sich vorgenommen hatte, einen Auerochsen anzugreifen.
    Der Schamane stand vor dem Feuer und fing an zu keuchen, wobei er mit aller Gewalt die Luft aus seiner Brust presste – Hchch – Hchch – Hchch. Jetzt näherte er sich dem Feuer. Er trat ins Feuer. Durch die schimmernde Hitze sah Torak, wie seine nackten Füße mitten in der Glut standen. Das ist unmöglich, dachte er.
    Der Schamane keuchte schneller – Hchch – Hchch – Hchch –, nahm den Kadaver vom Brandpfahl und trat wieder aus dem Feuer heraus.
    Torak wurde regelrecht schwindlig. Wenn nicht einmal Feuer ihm etwas anhaben kann … Nein, er konnte es nicht tun. Es war unmöglich.
    Er sah zu, wie der Schamane einen schweren Fichtenstamm anhob wie einen Zweig und ihn gegen die Große Eiche lehnte. Die Fichte war so eingekerbt, dass sie wie eine Leiter zu benutzen war. Der Schamane kletterte hinauf und hängte den Kadaver an einen Ast. Als er wieder unten war, machte er zwischen den Wurzeln der Eiche einen Sack auf und zog einen Habicht heraus.
    Torak drehte sich der Magen um. Der Habicht lebte noch und flatterte wild, als der Schamane ihn mit einem Bein am Brandpfahl festband.
    Wieder fing der Schamane an, rasselnd und keuchend zu atmen. Als er den Pfahl dieses Mal anhob, rutschte ihm jedoch der Mantel von den Unterarmen. Torak sah seine dreifingrige Hand und die Eichenclan-Tätowierung. Die Haut war von dickem Schorf bedeckt. Torak dachte daran, dass Bale, als er um sein Leben kämpfte, seinen Angreifer zerkratzt haben musste. Seine Seelen verhärteten sich. Die Zeit zur Erfüllung seines Schwurs war gekommen.
    Er wischte sich die Handflächen an den Beinlingen ab und legte den Pfeil auf die Sehne. Er wollte sich ein Stück vom Baum entfernen, damit er besser zu sehen war. Er wollte eine Warnung ausstoßen und Thiazzi die Möglichkeit geben, seine Waffen zu ergreifen. Und dann …
    Der Seelenesser trug sein flatterndes Opfer zum Feuer, bohrte den Pfahl in die Glut und ging wieder weg.
    Torak konnte den Anblick nicht ertragen. Er spannte die Sehne, zielte und ließ den Pfeil los. Im nächsten Augenblick hing der Falke, den zitternden Pfeil in der Brust, tot an seiner Beinfessel.
    Langsam nahm der Schamane die Maske ab und legte sie auf den Boden. Er drehte sich um und jetzt konnte Torak ihn deutlich erkennen. Die rostbraune Mähne, der struppige Bart. Das Gesicht so hart wie von der Sonne ausgetrocknete Erde. Die erbarmungslosen grünen Augen.
    »Du bist also meinem Ruf gefolgt, Seelenwanderer.«
    Torak trat hinter dem Baum hervor. »Nimm deine Waffen, Thiazzi. Du hast meinen Blutsbruder getötet. Dafür werde ich dich jetzt töten.«

Kapitel 18

    Torak musterte Thiazzi durch den wehenden Rauch. Zwischen ihnen lagen ungefähr zehn Schritte. »Dieses Mal entkommst du mir nicht«, sagte er und legte den nächsten Pfeil in den Bogen ein.
    Der Eichenschamane warf den Kopf zurück und lachte. » Ich entkomme dir? Du bist hier, weil ich will, dass du hier bist!« Er warf sich den Mantel nach hinten über die Schultern und hielt plötzlich eine Peitsche in der einen und eine Axt in der anderen Hand. Die Peitschenschnur war wie eine Viper zusammengerollt. Die Axt war die größte, die Torak je gesehen hatte.
    »Ich habe mich schon gefragt, wer es wagt, mir von den Inseln bis hierher zu folgen«, sagte Thiazzi und zerschnitt dabei die Luft mit ruckartigen Handbewegungen, »deshalb habe ich meinen Helfer ausgesandt. Seitdem du meinen Wald betreten hast, kenne ich jeden einzelnen deiner Schritte, jeden einzelnen deiner Atemzüge. Und nun endet es hier.«
    »So einfach werde ich es dir nicht machen«, erwiderte Torak und schob sich seitlich um das Feuer herum. »Ich hätte dich schon damals im Hohen Norden töten können. Schon vergessen?«
    Die Peitsche knallte und riss Torak den Bogen aus der Hand. »Meine Macht ist größer als deine!«, fauchte Thiazzi und schleuderte den Bogen in die Flammen. »Siehst du, sogar das Feuer gehorcht mir.«
    Der Rauch trübte Toraks Sicht. Als er sich wieder verzog, stand Thiazzi keine zwei Schritte von ihm entfernt.
    »Aber da der Weltgeist dich in meine Hände geschickt hat«, fuhr der Eichenschamane fort, »sollte ich mir deine Macht auch noch aneignen.«
    Torak zog seine Axt aus dem

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