Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
Seine Krallen bohrten sich in ihre Kapuzenjacke, steife Federn streiften ihre Wange. Sie stieß ein gurgelndes Geräusch aus, woraufhin Rip den Schnabel hob und zur Antwort seine Flügel halb ausbreitete.
Die Menge zog sich zurück, die Finger fest um die Amulette mit den Clantotems geschlossen.
Am Rande des Lagers erschien ein Wolf.
Wenn er das Feuer überlebt hatte, dachte Renn erleichtert, war vielleicht auch Torak noch am Leben.
Wolf ließ den Blick aus seinen bernsteinfarbenen Augen durch das Lager schweifen, dann trabte er auf Renn zu. Seine Nackenhaare sträubten sich. Die Sehnen seiner langen Beine waren angespannt. Ein Zeichen von ihr und er würde ihr sofort zu Hilfe eilen.
Aber er half ihr schon ungemein, indem er sich einfach zeigte. Mehr zu unternehmen konnte gefährlich für ihn werden. Sie warnte ihn mit einem leisen »Wuff«.
Er legte verdutzt den Kopf zur Seite.
»Wuff!«, sagte sie noch einmal.
Er machte kehrt und verschwand zwischen den Bäumen.
Die Clans atmeten aus. Der junge Mann stand sprachlos vor Staunen mit seiner Axt in der Hand da.
Der Alte räusperte sich. »Ich glaube«, sagte er, »wir sollten ihr vorerst nichts tun.«
Wolf war verängstigt und verwirrt. Seine Pfoten schmerzten von der heißen Erde. Er konnte Groß Schwanzlos nirgends finden, weil das Helle Tier alle Fährten und Gerüche gefressen hatte. Und jetzt hatte ihn die Rudelgefährtin angeheult und ihm gesagt, er solle wieder gehen.
Das tat er nicht. Er blieb ganz in der Nähe des Lagers.
Die Schwanzlosen stanken nach Angst und nach Hass. Sie hassten die Rudelgefährtin, trauten sich aber nicht, ihr etwas anzutun. Auch die Rudelgefährtin hatte Angst, aber sie hielt sich sehr gut. So etwas konnten die Schwanzlosen viel besser als normale Wölfe.
Nicht sehr weit entfernt fand Wolf ein kleines Stilles Nass, wo er seine wunden Pfotenballen im Uferschlamm kühlen konnte. Er ging etwas weiter hinein und wusch sich den Gestank des Hellen Tieres aus dem Fell.
Als er zum Lager zurückkehrte, witterte er sofort eine Veränderung. Die Schwanzlosen waren bereit zum Aufbruch. Wolf beschloss, ihnen zu folgen und die Witterung der Rudelgefährtin nicht mehr zu verlieren.
Vielleicht würde dann auch Groß Schwanzlos zu ihnen kommen.
Zwei Jäger des Luchsclans kamen, atemlos und schwitzend, ins Lager gerannt und unterhielten sich mit ihren flatternden Handbewegungen mit den Anführern. Renn versuchte, sie zu verstehen, wurde aus den Gesten jedoch nicht schlau.
Wolf war weg, aber die Raben spielten in der Kiefer, hängten sich mit den Krallen an die Auerochsenhörner und ließen sich fast auf den Boden fallen, bevor sie die Flügel ausbreiteten und eine Runde über das Lager drehten, um anschließend das Gleiche noch einmal zu probieren.
Der junge Mann warf ihnen feindselige Blicke zu, aber der Alte zuckte die Achseln. »Das sind Raben, die haben nun mal eine Schwäche für ausgelassene Spiele. Und betrügen tun sie auch.«
Renn fragte sich, ob er damit auch sie meinte.
»Hier«, sagte er, »das kannst du ebenso gut wiederhaben, nur Pfeile darf ich dir natürlich keine geben.«
Zu ihrer Verwunderung hielt er ihr ihren Bogen entgegen. Er war gesäubert und geölt worden, die Sehne war frisch gewachst.
»Danke«, sagte sie.
Er grunzte. »Ein guter Bogen. Und du hast dich gut um ihn gekümmert. Im Gegensatz zu so manch anderem.« Bei dem Gedanken an all die misshandelten Bögen lief ihm ein Schauer über den Rücken. »Aber die Sehne ist ausgefranst. Wenn du mir deine Ersatzsehne gibst, ziehe ich sie auf.«
Renn zögerte. »Das ist bereits die Ersatzsehne«, schwindelte sie.
Er blickte sie durch seine buschigen Augenbrauen hindurch an.
Hatte er ihr eine Falle gestellt? Oder wollte er ihr damit sagen, dass sie das benutzen sollte, was ihr zur Verfügung stand? Gerade wollte sie ihn fragen, warum er ihr den Bogen zurückgegeben hatte, als der junge Mann zu ihnen herübergerannt kam.
»Es ist entschieden«, sagte er zu dem Alten. »Wir brechen das Lager ab.«
»Wo wollt ihr hin?«, fragte Renn.
Er beachtete sie überhaupt nicht, aber der Alte warf ihr einen bedauernden Blick zu. »Tut mir leid«, murmelte er und humpelte davon.
Renn hatte kaum Zeit, den Bogen über die Schulter zu streifen, da wurden ihr auch schon die Handgelenke zusammengebunden und jemand schob ihr eine Binde über die Augen.
Kapitel 24
Nach der Dunkelheit im Biberbau blinzelte Torak ins Tageslicht.
Er spuckte einen Rest Seewasser aus und
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