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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Aber dort draußen war ihr Onkel, der sich die Hände am Feuer wärmte und auf sie wartete.
    Mit dampfendem Atem waren sie durch den knirschenden Schnee gestapft. Fin-Kedinn hatte Spuren gefunden und ihr gezeigt, wie man sie las. »Wenn das Rotwild weiß, dass die Wölfe ihm folgen, tritt es voller Stolz auf und hebt die Hufe hoch in die Luft. Seht ihr, wie stark ich bin, sagt es den Wölfen damit. Greift mich bloß nicht an, ich kann mich wehren! « Seine blauen Augen sahen sie durchdringend an. Er sprach nicht mehr nur vom Wild.
    Renn packte die Fichtenwurzeln mit beiden Händen. Fin-Kedinn hatte recht gehabt. Sie würde nicht demütig hier sitzen bleiben, während andere über ihr Schicksal bestimmten. »Was sagt ihr da über mich?«, rief sie mit einer Stimme, die weit über das Lager trug.
    Alle Köpfe drehten sich zu ihr. Die zuckenden Hände verstummten.
    »Wenn ihr beschließt, was mit mir passieren soll, sagt es mir. Eure Entscheidung vor mir zu verschweigen – das ist keine Gerechtigkeit.«
    Der Anführer der Auerochsen erhob sich. »Die Auerochsen sind immer gerecht.«
    »Dann sprecht mit mir«, sagte Renn.
    Zum ersten Mal ergriff der Anführer der Luchse das Wort. »Wer bist du?«
    Renn stand auf. »Ich bin Renn vom Rabenclan. Ich bin Schamanin.« Sobald sie es ausgesprochen hatte, wusste sie, dass es die Wahrheit war.
    »Frauen können keine Schamanen sein«, höhnte der junge Mann mit der Axt. »Das ist gegen den Brauch. Ich zeige euch, was für eine Schamanin sie ist!« Er rannte auf sie zu und wollte ihr die Hühnerknochenpfeife wegnehmen.
    »Bleib bloß weg!«, warnte sie ihn. »Das hier ist ein Schamanenknochen, mit dem man Geister rufen kann! Niemand außer mir darf ihn berühren!«
    Er wich zurück, als hätte sie ihn verbrannt.
    Renn setzte die Pfeife an die Lippen und blies hinein. »Niemand kann ihre Stimme hören«, sagte sie. »Nur ich. Dieser Knochen spricht nur zu Schamanen und Geistern.«
    Jetzt hatte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit des gesamten Lagers. Sie hob den Kopf und krächzte einen Rabenruf zu den Sternen. Dann hielt sie die Hände in die Höhe und zeigte die Zickzack-Tätowierungen auf der Innenseite ihrer Handgelenke. »Seht ihr diese Male? Das ist der Blitz: die Speere des Weltgeistes, der die Dämonen in Steine bannt und das Feuer aus den Bäumen erweckt. Jedem, der auch nur versucht, mir etwas anzutun, wird es schlecht ergehen!«
    Das hörte sich auf unheimliche Weise wie ihre Mutter an, aber in diesem Moment scherte sie das wenig. Was sie auch sonst gewesen sein mochte, Seshru war eine sehr mächtige Schamanin gewesen.
    Renn sah den auf beiden Seiten gewölbten Mond über den Bäumen stehen. Als Bale ermordet wurde, war der Mond ganz schmal gewesen, aber inzwischen hatte er wieder an Kraft gewonnen. Genau wie sie.
    »Selbst wenn sie eine Schamanin ist«, sagte der Anführer der Luchse, »so ist sie immer noch eine Schamanin aus dem Weiten Wald. Der Weltgeist will sie hier nicht haben. Deshalb hält er sich fern.«
    Köpfe nickten, Hände gestikulierten.
    »Sie hat mein Kind gestohlen«, wiederholte die Auerochsenfrau. »Sie hat meinen Sohn als Tokoroth mitgenommen!«
    »Nein«, sagte Renn. »Ich jage denjenigen, der das getan hat.«
    »Und wer soll das sein?«, fragte der Anführer der Auerochsen misstrauisch.
    »Thiazzi«, antwortete sie. »Thiazzi, der Eichenschamane.«
    Alle verzogen ungläubig die Gesichter, und der alte Mann sah sie enttäuscht an, als hätte er Renn beim Lügen ertappt. »Vom Eichenclan ist niemand mehr übrig«, sagte er. »Die sind ausgestorben.«
    »Nicht die Seelenesser«, sagte Renn. »Bringt mich zu eurem Schamanen und ich werde es ihm beweisen.«
    »Unser Schamane hält sich stets allein in seiner Gebetshütte auf«, sagte der Anführer der Auerochsen. »Fremde empfängt er nicht.«
    »Wenn du wirklich eine Schamanin wärst«, knurrte der junge Mann, »wüsstest du das.«
    Alle nickten. Und dann rückten sie bedrohlich nahe. Die Vernarbten grinsten sie boshaft an. Rote Hände schlossen sich um vergiftete Speere. Renns Knie zitterten, aber sie wich keinen Fußbreit zurück. Wenn sie jetzt wankte, hatte sie verloren.
    Ein harsches Krächzen hallte durch den Wald.
    Alle Gesichter richteten sich himmelwärts.
    Eine Silhouette schob sich vor die Sterne – und Rip ließ sich auf dem Ast einer Kiefer nieder. Der Blick seiner schwarzen Augen ruhte auf Renn.
    Sie krächzte eine Begrüßung und er kam elegant vom Ast auf ihre Schulter herabgesegelt.

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