Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
klammerte sich an einen Ast, der so rußig war, dass seine Hand ganz schwarz wurde. Ein bitter riechender brauner Qualm hing in der Luft.
Torak kletterte auf den stabilen Bau und schaute sich um. Verkohlte Hügel voller toter, abgebrochener Bäume waren undeutlich zu erkennen. Sonst nichts.
Er sank auf die Knie. Renn. Wolf. Wie konnten sie das überlebt haben?
Wäre auch nur ein einziger Vogel am Himmel gewesen, hätte er sein Versprechen gegenüber dem Wind gebrochen und seine Seele auf Wanderschaft geschickt, um sie zu suchen. Wäre auf den Hängen nur noch ein einziger Baum übrig …
Hinter ihm nieste etwas.
Das Fohlen lag auf einem Bündel staksiger Beine. Es schien über sein Niesen genauso verdutzt wie Torak.
Er streichelte ihm sanft die Mähne und das Kleine blinzelte ihn durch lange Wimpern an. Er spürte einen Hoffnungsschimmer. Wenn ein Fohlen dieses Feuer überstehen konnte, war es vielleicht auch Renn und Wolf gelungen.
Während er mit leiser Stimme auf das Fohlen einredete, löste er seinen Gürtel und legte ihn um den Hals des Jungtiers. Es kam unsicher und ganz wacklig auf die Beine. Dann warf es den Kopf nach unten und hustete.
Nach kurzem Hin und Her zog Torak das Fohlen ins Wasser, wo sie gemeinsam auf das Ufer zustrampelten.
Kaum hatten sie seichteres Wasser erreicht, da ertönte ein schrilles Wiehern. Das Fohlen antwortete mit einem erschreckend lauten Wiehern und zerrte am Ledergürtel. Torak streifte ihn wieder ab, und das Kleine ging torkelnd auf eine schwarze Silhouette zu, die sich zwischen den Bäumen bewegte. Mutter und Fohlen beschnupperten einander, dann duckte sich das Jungtier unter ihren Bauch und fing an, in langen, gierigen Schlucken zu trinken.
Jetzt sah Torak noch mehr Pferde. Die Leitstute wandte ihm den Kopf zu und sah ihn eindringlich an – und in diesem Moment wusste er, was er zu tun hatte.
Aufgeregt zog er den Rest von Saeunns Wurzel aus dem Medizinbeutel und schob ihn sich in den Mund. Wenn Wolf und Renn sich irgendwo in dieser Ödnis aufhielten – wer konnte sie besser aufspüren als Beutetiere?
Die anderen Pferde tänzelten zur Seite und warfen die Köpfe hoch. Seine Nähe war ihnen nicht geheuer. Die Leitstute jedoch wich nicht von der Stelle. Sie drehte die Ohren hin und her und lauschte seinem Stöhnen, als ihn die Krämpfe überkamen. Dann senkte sie den Kopf und sah, wie er sich den Bauch hielt und schließlich in einer Aschewolke zu Boden fiel …
… und durch ihre Pferdeaugen blickte Torak auf den Körper, der zuckend und mit Schaum vor dem Mund vor ihm lag.
Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er die unablässige Wachsamkeit von Beute. Er drehte ein Ohr nach vorne und hörte die Geräusche, die der immer noch wild um sich tretende Mensch von sich gab, das andere richtete er nach hinten, um dem leisen Wiehern einer Stute zu lauschen, die ihr Fohlen zurechtwies. Ein Auge suchte das Ufer nach Jägern ab, das andere den Hügelkamm, wobei ihm seine Pferdenase jede Bewegung eines jeden Mitglieds der Herde mitteilte.
Die Seelen der Stute waren überraschend stark, aber auch ängstlich, und obwohl Torak wollte, dass sie den Hügel hinauftrabte, weigerte sie sich. Sie war ein kluges Pferd, das wusste, dass man Unbekanntes am besten mied, und da alles unbekannt war, rührte sie sich nicht von der Stelle. Ihre Herde hatte die panische Angst vor dem schrecklichen Feuer durchgemacht und stand nun in diesem schwarzen Wald, wo es nichts zu grasen gab und nur das Wasser so roch wie immer. Deshalb würden sie in seiner Nähe bleiben.
Aber die fremden Seelen in ihrem Inneren machten die Stute unruhig. Sie schnaubte und verdrehte die Augen und die beunruhigte Herde tat es ihr gleich.
Die Seelen rangen miteinander, bis es Torak schließlich gelang, die ihren zu bezwingen. Seine kräftigen Hinterbeine schlugen einen energischen Trab an und schon donnerten alle vier Beine wuchtig und mühelos über den Boden. Was für eine Kraft! Was für eine Geschwindigkeit! Als er den Hügel hinaufjagte und seine Herde hinter ihm hergeprescht kam, empfand er einen Überschwang wilder Freude.
Oben auf dem Kamm blieb er schnaufend und schnaubend stehen. Der Aschewind spielte in seiner Mähne und kühlte seinen verschwitzten Hals. Mit geblähten Nüstern nahm er Witterung auf.
Fast sofort nahm er den Geruch eines Wolfes wahr.
Die Stute erbebte, erinnerte sich an spitze Fänge, die ihr in die Flanke bissen. Torak zwang sie dazu, stehen zu bleiben. Dann hörte er es: ein lang
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