Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)
die Wellen wirbelten ihm ein undurchdringliches Netz aus Haaren ins Gesicht. Nach Atem ringend, tauchte er zwischen den Weiden auf und umklammerte einen Stamm, der ihm allerdings nur kümmerliche Deckung bot. Er holte tief Luft und tauchte erneut unter.
Die trüben, schlammigen Fluten waren nur allzu willig, ihn Aki entgegenzutragen. Seine kältestarren Finger lockerten sich, und als ihn die Strömung herumwirbelte, erhaschte er gerade noch einen kurzen Blick auf den Baumstamm, gegen den er sogleich prallen würde.
Torak versuchte, so tief wie möglich zu tauchen, schaffte es aber nicht mehr rechtzeitig und erhielt stattdessen einen kräftigen Schlag gegen die Schläfe. Wassertretend stieg er auf und durchbrach die Oberfläche – direkt in einen gleißend hellen Sonnenstrahl und Auge in Auge mit einem auf seine Brust gerichteten Fischspeer. Er war nicht mit einem treibenden Baumstamm, sondern mit Akis Boot zusammengeprallt.
Entsetzt drehte sich Torak um und tauchte unter das Boot. Als sein Kopf an der anderen Seite wieder zum Vorschein kam, erwartete Aki ihn bereits mit erhobenem Speer. Torak tauchte abermals.
Seine Beine waren wie versteinert, die Brust wollte ihm schier bersten. Plötzlich fiel ihm der Trichter aus Weidenröschen ein, in dem er das Birkenblut gesammelt hatte. Er hätte ihn behalten sollen, hätte daran denken müssen …
Torak tauchte wieder auf – doch als Aki diesmal ausholen und den Speer auf ihn schleudern wollte, packte Torak den Schaft der Waffe und riss ihn mit einem Ruck zu sich herunter. Vor Wut aufheulend, stürzte Aki über den Bootsrand ins Wasser.
Sie hielten einander verbissen umklammert, während sie versuchten, sich gegenseitig den Speer zu entreißen. Schließlich gelang es Aki, den Speerschaft unter Toraks Kinn zu drücken und ihn damit gegen das Boot zu schmettern. Würgend bohrte Torak das Knie in Akis Lende, der daraufhin mit einem Schrei den Speer losließ. Torak hechtete vor, um die Waffe zu packen, doch vergebens. Der Fluss hatte sie bereits mit sich gerissen.
Dieser Sprung hätte ihn beinahe das Leben gekostet. Als er nach der Waffe schnappte, bekam Aki ihn am Haar zu fassen und drückte ihn unter Wasser. Wild um sich schlagend, griff Torak nach Akis Wams, seinen Beinlingen, nach irgendetwas, aber das schlüpfrige Leder bot seinen Fingern keinen Halt, und er konnte sein Haar auch nicht aus Akis Griff befreien. Ihm wurde dunkel vor Augen, unwillkürlich öffnete er den Mund zu einem Schrei – und der Fluss nahm die silbrigen Atembläschen in den Fluten mit sich. Erst im letzten Moment drehte Torak sich um und schlug die Zähne in Akis Oberschenkel.
Ein gedämpfter Schrei und Akis Griff lockerte sich. Torak stieg pfeilschnell an die Oberfläche und schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land.
Er zwang sich, erneut unterzutauchen, und reckte den Kopf in einem Erlengebüsch, etwas stromaufwärts vom Boot entfernt, geräuschlos aus dem Wasser. Akis struppiger Schopf war gerade noch zu erkennen. Torak umklammerte einen Baum und rang nach Atem. Das Boot hatte sich im Weidengebüsch verkeilt und schaukelte zwischen ihm und dem Eberjungen auf den Wellen. Unversehens kam Torak ein Einfall.
Er ließ sich wiederum unter Wasser sinken und von der Strömung bis in die unmittelbare Nähe des Einbaums tragen, wo er, etwas weiter stromaufwärts, nahezu lautlos und ohne dass sich das Wasser verdächtig kräuselte, wieder auftauchte. Von der anderen Seite des Bootes vernahm er Akis keuchenden Atem, konnte den Eberjungen aber nicht sehen. Er hörte sich ziemlich erschöpft an. Torak zögerte einen Augenblick, doch mit einem Mal stieg unbarmherzige Härte in ihm auf, die sein Herz wie ein Knochensplitter durchbohrte.
Die Schulter gegen eine Weide gestemmt, trat er mit beiden Füßen kräftig gegen den Einbaum. Das Boot bäumte sich auf wie ein widerspenstiges Waldpferd. Torak versetzte ihm einen zweiten Tritt und diesmal löste sich der Einbaum mit einem Satz aus dem Dickicht und wurde vom Fluss mitgerissen.
Kurz bevor das Boot gegen Aki prallte, packte Torak einen Ast und zog sich so weit hoch, dass er etwas sehen konnte. Er beobachtete, wie sein Angreifer mit einem Ruck den Kopf hob, die Augen vor Angst geweitet, bevor das schwere Boot mit einem mächtigen Schlag gegen ihn prallte und ihn stromabwärts mit sich riss, weiter und immer weiter, direkt auf die Stromschnellen zu. Aki blieb nicht einmal mehr Zeit zu schreien.
Grimmig umklammerte Torak die Weide. Das seichte Wasser
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