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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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und nicht aus Angst schlotterte.
    Die Menge teilte sich, um die beiden durchzulassen, und verschwommen nahm er die vom Feuerschein beleuchteten Gesichter wahr. Raben. Weiden. Nattern. Eber. Keine Berg- oder Eisclans und keine aus dem Großen Wald oder von der Küste. Was wohl seine Freunde vom Robbenclan sagen würden, wenn sie von seinem Schicksal erfuhren? Was mochte Bale denken?
    Aki hatte sich breitbeinig vor der Menge aufgebaut. Sein mit Kiefernblut übergossenes Gesicht hatte er so heftig geschrubbt, dass es sauber war, aber die unsanfte Prozedur hatte tiefrote Flecken darauf hinterlassen. Außerdem war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich das Haar kurz zu scheren. Nun sah es aus wie die stacheligen Borsten eines Ebers. In seinem Gürtel staken zwei Wurfäxte, ein Rindenhorn baumelte an der Hüfte und er hatte eine triumphierende Miene aufgesetzt. Gewiss würde er keine Zeit vergeuden und den Ausgestoßenen sofort jagen.
    Regentropfen prasselten zischend in die Flammen und tropften von den Bäumen, die die Lichtung säumten. Regentropfen rannen wie Tränen über Renns Wangen. Tränen konnten es ja wohl nicht sein, denn Renn weinte niemals.
    Am Feuer wartete Fin-Kedinn mit den anderen Clanführern. Seine Züge verrieten keine Gefühlsregung und er sah Torak nicht an.
    Humpelnd gesellte sich Saeunn an die Seite des Rabenhüters und richtete das Wort an die versammelten Clans: »Ich bin die Älteste der Clans des Weiten Waldes«, erklärte sie. »Ich spreche für alle.« Sie hielt inne. »Der Junge trägt das Zeichen der Seelenesser. Das Gesetz ist unmissverständlich. Wir müssen ihn aus der Gemeinschaft ausstoßen.«
    Ein Murmeln erhob sich.
    Toraks Knie gaben nach.
    »Wartet!« Vom Rande der Lichtung erklang plötzlich die Stimme eines Mannes.
    Alle Köpfe drehten sich zu ihm um.
    Torak sah eine hochgewachsene Gestalt in das Licht des Langfeuers treten. Das regennasse Haar klebte an seinem Schädel, mit Ausnahme zweier kahl geschorener Streifen an den Schläfen. Seine Augen schimmerten eigenartig gelb, aber das Gesicht mit den hohen Wangenknochen kam Torak seltsam vertraut vor.
    Als er die Clantätowierung des Mannes erkannte, kribbelte es mit einem Mal in seinem Nacken. Zwei dünne punktierte Linien auf den Wangenknochen. Ein nasser Streifen Wolfsfell auf der linken Seite seiner Kapuzenjacke.
    Aki hatte es ebenfalls entdeckt. »Nein!«, rief er unwillig aus. »Du kannst nichts mehr daran ändern. Die Ältesten haben bereits gesprochen.«
    Statt einer Antwort heftete der Mann seinen durchdringenden Blick auf Aki – und der Eberjunge wich unwillkürlich zurück.
    »Wer bist du?«, fragte Torak.
    Der Mann drehte sich um und musterte ihn eindringlich. »Ich heiße Maheegun. Ich bin der Anführer des Wolfsclans.«

Kapitel 3

    Lautlos wie ein Rudel Wölfe traten sie aus dem Schatten des Waldes.
    Frauen, Männer, Kinder, allesamt von Kopf bis Fuß in Rentierleder gekleidet, um sich so wenig wie möglich vom Wald abzuheben. An jeder Halsgrube schimmerte ein ungeschliffenes Bernsteinamulett und wie bei Maheegun waren ihre Schläfen rasiert und mit rotem Ocker bemalt. Im Feuerschein erkannte Torak, dass das Weiße in ihren Augen gelb war. Wolfsaugen.
    Der Anführer schien Fin-Kedinn zu kennen und nickte ihm kurz zu; er lächelte jedoch nicht oder legte beide Fäuste aufs Herz zum Zeichen der Freundschaft. Torak musste an einen Leitwolf denken, der ein wenig von oben herab die Anwesenheit eines Fremden zur Kenntnis nimmt.
    Die restlichen Mitglieder des Wolfsclans beschränkten sich ebenfalls auf eine angedeutete Verneigung, mit Ausnahme einer Frau, die Fin-Kedinn freundlich zulächelte. Das Lächeln machte sie unversehens um Jahre jünger. Der Rabenälteste erwiderte den Gruß, indem er die Hand aufs Herz legte und sich vor ihr verbeugte. Torak fiel ein, dass Fin-Kedinn vor langer Zeit vom Wolfsclan als Ziehsohn aufgenommen worden war.
    »Euer Stein mit der Botschaft ist gefunden worden«, teilte Maheegun dem Rabenhüter mit. »Warum habt ihr uns gerufen? Und dann zu einer solchen Versammlung?«
    »Ich brauche euch«, erwiderte Fin-Kedinn ruhig.
    Maheegun richtete sich zu voller Größe auf und die beiden maßen einander mit Blicken. Der Anführer der Wölfe schlug als Erster die Augen nieder. Erst jetzt fiel ihm Toraks Totemzeichen auf. »Wer ist das?«
    »Der Sohn des Wolfsschamanen.«
    Die Wölfe hielten erstaunt den Atem an. Einige umklammerten schutzsuchend ihr Amulett, die anderen schlugen das Zeichen

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