Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
geschabtes, gegerbtes Leder.
    »Es ist schon Mittag. Was ist denn bloß geschehen? Du hast die Augen verdreht, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und bist vornüber in den Schnee gekippt. Es war grauenhaft!«
    »Bin abgestürzt«, erwiderte Torak einsilbig. Bei jedem Atemzug spürte er einen stechenden Schmerz, und ihm taten alle Knochen weh, aber Arme und Beine gehorchten ihm noch. Demnach hatte er sich nichts gebrochen. »Bin ich … irgendwo verletzt?«
    Renn schüttelte den Kopf. »Aber Seelen können auch Wunden davontragen.«
    Torak blieb still liegen und beobachtete einen kleinen Wassertropfen, der gleich von der Decke fallen würde. Die Seelenesser haben Wolf entführt.
    »Hast du die Spuren gefunden?«, erkundigte sich Renn.
    Torak schluckte. »Nach Norden. Sie ziehen nach Norden.«
    Renn merkte, dass er ihr etwas verschwieg. »Kaum warst du in Trance, hat der Wind aufgefrischt. Er hat sich zornig angehört.«
    »Ich bin geflogen. Das war eigentlich nicht meine Absicht.«
    Der Wassertropfen landete auf Renns Jacke und verschwand im Pelzbesatz der Kapuze. Wie eine zur Erde herabstürzende Seele.
    »Vielleicht war es doch keine so gute Idee«, meinte Renn.
    Torak stützte sich mühsam auf den Ellbogen und spähte durch den Luftschlitz nach draußen. Der Wind war besänftigt, aber die geisterhaften Schneeschwaden waren wieder da.
    »Ich glaube nicht, dass der Wind schon mit uns fertig ist«, sagte Renn.
    Torak legte sich wieder hin und zog den Schlafsack bis unters Kinn. Die Seelenesser haben Wolf entführt.
    Er brachte es nicht über sich, es Renn zu erzählen. Noch nicht. Wenn sie es erfuhr, bestand sie womöglich darauf, dass sie umkehrten und im Wald Hilfe holten, oder sie ließ ihn allein weitergehen.
    Er schloss die Augen.
    »Wer sind denn diese Seelenesser?«, hatte er Fin-Kedinn seinerzeit gefragt. »Ich weiß nicht mal, wie sie heißen.«
    »Das wissen nur wenige«, hatte Fin-Kedinn erwidert, »und die sprechen nicht darüber.«
    »Weißt du es denn?«, hatte Torak nachgehakt. »Warum sagst du es mir dann nicht? Es ist meine Bestimmung, sie zu bekämpfen!«
    »Alles zu seiner Zeit.« Mehr hatte er dem Anführer der Raben nicht entlocken können.
    Torak wurde einfach nicht schlau aus ihm. Nach der Ermordung seines Vaters hatte Fin-Kedinn ihn aufgenommen, und vor langer, langer Zeit waren Fa und er gute Freunde gewesen. Aber Fin-Kedinn sprach selten von früher und gab auch dann immer nur das Nötigste preis.
    Deswegen wusste Torak auch nur, dass sich die Seelenesser verschworen hatten, den Wald zu beherrschen. Irgendwann hatte ein großes Feuer sie in alle Winde zerstreut und sie hatten sich irgendwo versteckt. Seither hatten zwei der sieben den Tod gefunden und durften dem Clangesetz zufolge die nächsten fünf Winter nicht beim Namen genannt werden. Der eine war Toraks Vater gewesen.
    Wieder einmal war Torak weh ums Herz. Fa hatte sich den Seelenessern angeschlossen, weil er Gutes tun wollte, so viel hatte ihm Fin-Kedinn anvertraut, und daran klammerte sich Torak. Als sich die anderen vom Bösen hatten verleiten lassen, hatte sich Fa von ihnen losgesagt, und von da an hatten sie ihn als Feind betrachtet. Dreizehn Winter lang war er ein Gejagter gewesen, hatte seinen Sohn abseits der Clans aufgezogen und Stillschweigen über seine Vergangenheit bewahrt. Dann, im vorletzten Herbst, hatten die Seelenesser den Dämonenbären ausgeschickt, der ihn getötet hatte.
    Jetzt hatten sie Wolf entführt.
    Aber warum Wolf und nicht Torak selbst? Warum, warum, warum?
    Der Klagegesang des Windes wiegte ihn in den Schlaf.

    Jemand rüttelte ihn, rief ihn beim Namen.
    »Was ist?«, brummelte er, das Gesicht im Schlafsack vergraben.
    »Wach auf, Torak«, rief Renn. »Wir können nicht mehr raus!«
    Unbeholfen richtete sich Torak so weit auf, wie es das niedrige Dach erlaubte. Renn hockte neben ihm und rang sichtlich um Fassung.
    Der Luftschlitz war verschwunden, mit festgebackenem Schnee verschlossen.
    »Ich habe schon gegraben«, sagte Renn, »aber ich komme nicht durch. Wir sind eingeschneit. Offenbar hat es die ganze Nacht geschneit.«
    Torak fiel auf, dass sie » ›es‹ hat geschneit« sagte und nicht etwa: »Das war der Wind, er hat gewartet, bis wir schlafen, und uns dann begraben.«
    »Wo ist meine Axt?«, fragte er.
    Renn überlegte kurz und verzog ärgerlich das Gesicht. »Draußen. Beide Äxte sind draußen, dort, wo wir sie hingelegt haben. Bei den Tragen.«
    Schweigend verdaute Torak diese

Weitere Kostenlose Bücher