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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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sich mit beiden Vordertatzen aufs Eis fallen.
    Torak schlotterten dermaßen die Knie, dass er beinahe umgekippt wäre.
    Da ließ der Bär unversehens von ihm ab, tappte um den Schlitten herum und fegte das Gefährt so mühelos beiseite wie ein Stück Rinde. Inuktiluk warf sich auf die eine Seite, Renn auf die andere, doch als der Schlitten wieder herunterdonnerte, traf er Renn an der Schulter. Sie schrie auf und fiel hin, wobei ihr Arm unter den Kufen eingeklemmt wurde. Sie lag dem Bären direkt im Weg.
    Torak sprang auf, fuchtelte wild mit der Harpune und brüllte: »Hier bin ich! Lass sie in Ruhe! Hierher!«
    Auch Inuktiluk rief laut und holte zum Schein mit der Harpune aus – und im selben Augenblick, als sich der Bär nach dem Eisfuchsmann umdrehte, zerrte Torak den Schlitten von Renn herunter, packte sie am Arm und zog sie weg. Ein Schlittenhund hatte sein Geschirr durchgebissen und sprang den Bären an. Die gewaltige Pranke schleuderte ihn durch die Luft. Es knackte scheußlich, als der Hund mit dem Kopf zuerst aufkam. Torak und Renn warfen sich auf den Boden, der Bär sprang mit einem Satz über sie hinweg, stürzte sich auf die erlegte Robbe und nahm ihren Kopf zwischen die Zähne. Dann stürmte er davon und trug das schwere Tier so mühelos im Maul, als handelte es sich nicht um eine ausgewachsene Robbe, sondern um eine Forelle.
    »Haltet die Hunde fest!«, rief Renn.
    Der Welpe hatte sich unter dem Schlitten verkrochen, aber die anderen Hunde waren unbändig in ihrer Blutgier, und jetzt, da sich alle gemeinsam ins Geschirr legten, rissen die Riemen, und die Meute hetzte hinter dem Bären her, ohne sich um Inuktiluks Rufe zu scheren. Das lose Geschirr verfing sich am Stiefel des Eisfuchsmanns, und Torak und Renn mussten entsetzt zusehen, wie er davongeschleift wurde.
    Es waren starke, schnelle Hunde, zu schnell, als dass man sie hätte einholen können. Torak legte die Hände an den Mund und bellte: ein lautes, abgehacktes Kläffen, das in der Wolfssprache HALT! bedeutete.
    Sein Ruf zerschnitt die Luft wie ein Peitschenhieb. Die Hunde gehorchten sofort und legten sich mit eingeklemmten Schwänzen nieder.
    Weit hinten verschwand der Bär zwischen blauen Eishöckern.
    Torak und Renn liefen zu Inuktiluk, der sich schon wieder aufgesetzt hatte und sich die Stirn rieb.
    Der Eisfuchsmann erholte sich rasch. Das zerrissene Geschirr in der Faust, zog er mit der anderen Hand das Messer und strafte die jaulenden Hunde mit derben Knaufhieben. Dann nickte er Torak schwer atmend einen Dank zu.
    »Wir müssen dir danken«, sagte Renn mit schwankender Stimme. »Wenn du den Bären nicht abgelenkt hättest…«
    Inuktiluk schüttelte den Kopf. »Wir sind nur noch am Leben, weil er es so wollte.« Er wandte sich an Torak. Neuer Argwohn war in seiner Miene zu lesen. »Meine Hunde … Du kannst also doch mit ihnen sprechen! Wer bist du? Was bist du?«
    Torak wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. »Wir müssen weiter. Vielleicht ist der Bär noch in der Nähe.«
    Inuktiluk musterte ihn einen Augenblick, dann rief er die Meute, warf sich den toten Hund über die Schulter und humpelte zum Schlitten.
    Torak ließ die Harpune fallen und beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt.
    Renn rieb sich den Arm.
    Torak erkundigte sich, ob sie verletzt sei.
    »Es tut ein bisschen weh, aber zum Glück ist es nicht der Zugarm. Was ist mit dir?«
    »Mir geht’s gut.« Dann fiel er auf die Knie und übergab sich.

    Die untergehende Sonne warf ihren goldenen Schein auf das dunkelblaue Eis, als die Hunde zum Lager der Eisfüchse stürmten.
    Die Nacht senkte sich herab, am Himmel erschien eine schmale Mondsichel. Immer wieder legte Torak den Kopf in den Nacken, aber der Erste Baum ließ sich nicht blicken, das gewaltige, stumme grüne Feuer, das nur im Winter zu sehen ist. Torak sehnte sich so inbrünstig nach diesem Anblick wie noch nie, denn er sehnte sich nach dem Wald. Vergebens.
    Sie sausten an spitzen, schroffen Eisklippen vorbei und vernahmen fernes Knacken und Ächzen. Sie mussten an die Dämonen denken, die sich unermüdlich zu befreien suchten. Irgendwann erspähte Torak ein rötliches Licht. Die erschöpften Hunde witterten ihr Zuhause und legten sich mit neuer Kraft ins Geschirr.
    Im Näherfahren erkannte Torak eine große, kuppelförmige Schneehütte und drei kleinere Hütten, die durch kurze, überdachte Gänge mit der großen verbunden waren. Aus den Ritzen zwischen den Eisblöcken drang einladender Lichtschein. Um

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