Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
die Hütten herum sprangen jetzt viele kleine Schneehäufchen auf, schüttelten sich und begrüßten die Ankömmlinge mit freudigem Gebell.
    Torak stieg steifbeinig vom Schlitten. Renn verzog vor Schmerz das Gesicht und massierte ihren Arm. Beide waren so benommen vor Erschöpfung, dass sie alle Bedenken vergaßen, was sie hier erwarten mochte.
    Inuktiluk bestand darauf, dass sie sich gründlich den Schnee von den Kleidern klopften und sogar das Eis aus den Augenbrauen zupften, ehe sie in den niedrigen Gang krochen, der zum Eingang der großen Hütte führte. Der Gang war abgewinkelt wie ein Hundebein, damit der Wind nicht hineinfuhr. Auf Händen und Knien krabbelnd, drang Torak der bittere Geruch von brennendem Robbentran in die Nase. Dann vernahm er Stimmengewirr, das jäh verstummte.
    Im Schein der qualmenden Tranlampen sah Torak, dass an den Wänden Walknochen angebracht waren, an denen Stiefel und Handschuhe zum Trocknen hingen, er erkannte glitzernde Atemwolken und runde, speckglänzende Gesichter.
    Mit knappen Worten berichtete Inuktiluk seiner Sippe, wie er die Fremdlinge im Schneesturm entdeckt hatte und was sonst noch geschehen war. Er war um Gerechtigkeit bemüht, denn er erwähnte auch, dass ihn Torak davor bewahrt hatte, von dem Bären mitgeschleift zu werden, aber seine Stimme bebte, als er schilderte, wie der »Wolfsjunge« mit den Hunden gesprochen hatte.
    Die Eisfüchse hörten geduldig zu, stellten keine Zwischenfragen und musterten Torak und Renn mit neugierigen braunen Augen, die denen ihres Totemtiers nicht unähnlich waren. Einen Anführer schien es nicht zu geben, aber auf einer niedrigen, mit Rentierfellen ausgelegten und aus Schnee gebauten flachen Schlafstatt hockten vier betagte Clanmitglieder um eine Lampe.
    »Sie sind’s!«, kreischte ein altes Weiblein, dessen Gesicht dunkel war wie eine vom Frost verschrumpelte Hagebutte. »Ich erkenne sie wieder – ich habe die beiden in Trance gesehen!«
    Torak hörte Renn nach Luft schnappen. Er legte zum Zeichen der Freundschaft beide Fäuste aufs Herz und verneigte sich vor der Alten. »Inuktiluk hat uns erzählt, du hättest gesehen, dass ich eine furchtbar böse Tat begehe. Aber das ist bis jetzt nicht eingetreten und ich habe es auch nicht vor.«
    Zu seiner Verwunderung brachen die Eisfüchse in Gelächter aus und die vier Ältesten grienten zahnlos.
    »Wer von uns kann schon sagen, ob er nicht irgendwann etwas Böses tut?«, erwiderte die Alte. Ihr Lächeln erlosch, ihre Miene wurde kummervoll. »Ich habe dich gesehen. Du wolltest das Clangesetz brechen.«
    »So etwas würde er nie machen!«, widersprach Renn.
    Die Alte schien keineswegs ungehalten über die Einmischung, sondern wartete gelassen ab, ob Renn noch etwas anzufügen hatte, um sich dann wieder an Torak zu wenden. »Das Himmelsfeuer lügt nicht«, sagte sie ruhig.
    Torak war verwirrt. »Ich verstehe kein Wort! Was habe ich denn getan?«
    Das runzlige Gesicht verzerrte sich vor Qual. »Du hast die Axt gegen einen Wolf erhoben.«

Kapitel 13

    »ICH SOLL MIT DER AXT auf Wolf losgehen?« Torak war entrüstet. »Nie im Leben!«
    »Ich habe es auch gesehen«, platzte Renn heraus. »Im Traum!«
    Sie konnte einfach nicht mehr an sich halten, auch wenn sie es sofort bereute.
    Torak starrte sie an wie eine Fremde. »Ich könnte Wolf niemals etwas antun. Das ist ausgeschlossen.«
    Die Eisfuchsälteste breitete die Hände aus. »Die Toten lügen nicht.« Torak wollte etwas einwenden, aber die Alte kam ihm zuvor: »Ruht euch jetzt aus und stärkt euch. Morgen schicken wir euch wieder nach Süden, dann wird uns das Unheil verschonen.«
    Renn nahm an, dass Torak protestieren würde, stattdessen wurde er still und setzte diese trotzige Miene auf, die nichts Gutes verhieß.
    Die Eisfüchse machten sich hier und dort zu schaffen und holten ihre Vorräte aus in die Wände gehackten Nischen. Jetzt, da die Älteste gesprochen hatte, stürzten sie sich so vergnügt in die Vorbereitungen zu einem Festschmaus, als wären Torak und Renn einfach nur vorbeigekommen, um einen Abend lang gemütlich am Feuer zu sitzen und Geschichten zu erzählen. Renn beobachtete, wie Inuktiluk die anderen mit der Geschichte vom Eisbär und der geklauten Robbe unterhielt, worauf sie sich vor Lachen ausschütteten. »Keine Bange, kleiner Bruder«, rief einer, »ich habe meine unversehrt heimgebracht, davon werden wir alle satt!«
    »Warum hast du mir nichts gesagt?«, fragte Torak streng, aber Renn merkte ihm an, dass er

Weitere Kostenlose Bücher